Berlin-Wahl: Rot-Rot-Grün - Bereit zum Regieren

Gemischte Stimmung bei der SPD / Freude bei den Grünen / Euphorie bei der Linken

Michael Müller (SPD) hat den Auftrag zu Regierungsbildung bekommen. Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel (l) überreicht Müllers Ehefrau Claudia nach den ersten Ergebnissen Blumen.

Foto: Bernd von Jutrczenka

Berlin. Die SPD ist diesmal vom Willy-Brandt-Haus in die Columbiahalle gleich gegenüber dem ehemaligen Flughafen Tempelhof gezogen. Dort, wo sonst bis zu 3.500 Leute bei Rock- und Pop-Musik die Stimmung zum Kochen bringen, geht es an diesem Sonntagabend weniger euphorisch zu. Manchen Genossen steht sogar der Schreck ins Gesicht geschrieben - man hatte sich mehr erwartet.

Mit rund 23 Prozent in den Wahlprognosen sind die Sozialdemokraten der Hauptstadt zwar erneut stärkste Partei geworden. Aber so um die fünf Prozent weniger als beim letzten Mal sind auch nicht unbedingt ein Ruhmesblatt. Sei`s drum. Regierungschef Michael Müller, dessen Ausstrahlung zuletzt häufiger mit der einer Büroklammer verglichen wurde, hat den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Das legt dem Obergenossen Sigmar Gabriel zumindest keine zusätzlichen Steine in den Weg. Schließlich gilt es schon am Montag, einen kleinen Bundesparteitag zum EU-Freihandelsabkommen Ceta zu überstehen. Gabriel ist prinzipiell für die Abmachung mit den Kanadiern, ein großer Teil der Basis ist dagegen.

So herrscht dann auch so etwas wie allgemeine Erleichterung, als Müller und Gabriel gemeinsam die Bühne betreten. Der alte und neue "Regierende" erklärt, dass man immer noch einen Vorsprung von etwa sechs Prozent vor den "politischen Mitbewerbern" habe. Es sagt aber auch, dieses Ergebnis müsse Ansporn sein, "es in Zukunft besser zu machen". Gabriel indes verkneift sich solche Differenzierungen. "Berlin bleibt sozial und menschlich anständig", ruft der Vorsitzende mit Blick auf das vergleichsweise mäßige Abschneiden der AfD. Über die künftige Regierungsbildung in der Hauptstadt verlieren beide erst einmal kein Wort. Nur für das Publikum ist die Präferenz längst klar: Als es nach den ersten Zahlenreihen von Fernseh-Reportern heißt, Rot-Schwarz sei abgewählt, brandet Jubel auf. Und als einer ergänzt, es reiche locker für Rot-Rot-Grün, wird der Jubel zum Orkan.

Auch im E-Werk, einem ehemaligen Technoclub in Berlin Mitte, wird diese Option mit heller Begeisterung bedacht. Hier feiern die Grünen ihren Wahlabend. Seit 26 Jahren ist die Partei an der Spree in der Opposition. Cem Özdemir sieht die Seinen nun endlich wieder an den Schalthebeln der Macht. "Berlin braucht wieder eine Regierung, bis jetzt hatten wir eine Verwaltung", sagt der Grünen-Chef forsch. Dass die Partei gegenüber ihrem Ergebnis vor fünf Jahren auch etwas einbüßte, Schwamm drüber. "Die Stadt hat eine andere Regierung verdient", pflichtet die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt dem Parteichef bei. Ist Rot-Rot-Grün nun auch eine Option für den Bund? Da werden die beiden eigentlich eher schwarz-grünen Anhänger schmallippig. Im Bund sei ja noch ein Jahr Zeit, wiegelt Göring-Eckardt ab.

Ganz anders die Linkspartei, die an diesem Abend ebenfalls in einem hippen Party-Schuppen in Friedrichshain feiert. Parteichefin Katja Kipping spricht von einem "großartigen Signal" für den Bund, Co-Chef Bernd Riexinger von einer "hervorragenden Vorlage für die nächste Bundestagwahl". Die Linken sind an diesem Abend die einzige Gruppierung, die ihre Ziele voll erreicht hat: Gegenüber der letzten Wahl deutlich zugelegt, und am Kabinettstisch des Berliner Senats sieht man sich ebenfalls schon sitzen.