Bewährungsprobe bis Mai für Westerwelle
Stuttgart (dpa). Selbstkritik Fehlanzeige. Dafür viel Durchhaltewillen und Kampfparolen: So präsentierte sich Guido Westerwelle seiner Partei nach wochenlangem Schweigen beim Stuttgarter Dreikönigstreffen.
Von einer „Bewährungsprobe“, vor der die FDP stehe, spricht zum Auftakt des Superwahljahres mit sieben Landtagswahlen nicht der Parteichef selbst, sondern sein Generalsekretär Christian Lindner.
Der FDP-Chef, der in den vergangenen Wochen von einzelnen Wahlkämpfern in den Ländern zum Rückzug gedrängt worden war, bekommt dennoch in Stuttgart viel Applaus der etwa 1000 Zuhörer. Doch der Funke springt nicht so recht über. Einige jüngere Zuhörer halten bei Applaus Schildchen mit der Aufschrift „Gefällt mir“ in die Kameras.
Der rheinland-pfälzische Spitzenkandidat Herbert Mertin, der vor kurzem Westerwelle als „Klotz am Bein“ bezeichnet hatte, klatscht auf dem Podium eher müde in die Hände. Westerwelles „Intimfeind“ Jörg-Uwe Hahn aus Hessen ist gar nicht da.
Der angeschlagene Parteivorsitzende rechtfertigt über weite Strecken den bisherigen Kurs seiner Partei in der schwarz-gelben Koalition: „Wir sind auf dem richtigen Weg trotz aller Holprigkeiten und Schwierigkeiten (...) Wer ein Land regieren will, muss auch Durststrecken ertragen.“
Westerwelle änderte noch in der Nacht vor Dreikönig sein Redekonzept. Er will keinen Anlass für neue Selbstzweifel- Schlagzeilen liefern, die seit Wochen die Berichterstattung über die FDP dominieren. Deshalb auch kein Wort über seine eigene Zukunft. Ob er im Mai beim Wahlparteitag der FDP wieder als Parteichef antreten will, lässt er offen.
Westerwelle sagt aber auch nichts, was auf Rückzugsgedanken schließen könnte. Vielmehr ist er innerlich wohl entschlossen, das Blatt für seine Partei, die bundesweit seit Monaten an der Fünf-Prozent-Grenze klebt, doch noch zu wenden. Wie das geschehen soll, sagt Westerwelle in Stuttgart nicht. Er appelliert an das „liberale Immunsystem“ der Parteimitglieder, um die Welle der Kritik zu überstehen.
Manche hatten bei der Stuttgarter Kundgebung ein „Rededuell“ zwischen Westerwelle und seinem Generalsekretär erwartet. Dazu kommt es nicht, auch wenn Christian Lindner nach Meinung einiger Kundgebungsteilnehmer mit seine Rede näher an der derzeitigen FDP-Stimmung liegt als der Parteichef.
Lindner, der an diesem Freitag seinen 32. Geburtstag feiert und als der neue starke Mann in der Partei gilt, sagt auch offen, was für die FDP Sache ist: „Die Liberalen stehen vor einer Bewährungsprobe.“ Zugleich liefert er in 20 Minuten freier Rede einen Kompaktkurs für einen neuen Liberalismus, der sich nicht nur auf Fragen der Wirtschaft und der Steuern konzentriert. Dann knöpft er sich die grünen Umfrage-Höhenflieger vor: „Die Grünen sind eine linke Partei. Sie sind das trojanische Pferd der deutschen Politik.“
Lindner erhält auch viel Applaus, aber nicht so stürmisch, dass es als Inthronisierung zum Westerwelle-Erben verstanden werden konnte. Die Partei ist personell in Wartestellung, lautet auch eine Botschaft dieses Dreikönigstreffens. Bei der Präsidiumssitzung kurz vor der Kundgebung vereinbarten die FDP-Granden, die Personaldebatten einzustellen. Die Frage ist nur, wie lange diese Absprache hält.
Spätestens nach der Baden-Württemberg-Wahl am 27. März werden die Karten bei der FDP neu gemischt. Bis dahin ist Wahlkampf angesagt. Noch am Donnerstag schwärmen Westerwelle, Lindner und die anderen FDP-Spitzenleute in den Wahlkampf aus. Vor allem für Westerwelle, der gerade 49 Jahre geworden ist, beginnen die spannendsten Monate seiner Parteikarriere.
Schafft er bis zum März die Stimmungswende für seine Partei, wird er Parteichef bleiben. Verharrt die FDP im Umfrage-Keller wird spätestens beim FDP-Parteitag im Mai abgerechnet. Der FDP-Chef hat bis dahin nur eine Schonfrist.