BKA-Chef sieht Polizeiarbeit durch Datenschutz gehemmt
Berlin (dpa) - Zum Ende seiner Amtszeit hat sich der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, noch einmal für mehr Polizeibefugnisse ausgesprochen.
„Das Strafrecht wird an seine funktionalen Grenzen geführt“, kritisierte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Durch die Debatte über Bürgerrechte und Datenschutz spüren wir einen hohen Rechtfertigungsdruck bei der Frage, was der Staat darf und was nicht.“
Vielfach gebe es eine große Ablehnung gegenüber bestimmten Mitteln der Polizeiarbeit. „Wir brauchen darüber eine grundsätzliche Debatte“, forderte Ziercke. Derzeit bestimme der mögliche Missbrauch von Daten die Diskussion. Sinnvoller wäre es nach seiner Ansicht, sich verstärkt über Kontrollinstrumente zu unterhalten, um es aufseiten der Sicherheitsbehörden gar nicht erst zu einem Datenmissbrauch kommen zu lassen.
Als Beispiel für ein solches Instrument nannte Ziercke die Einführung eines speziellen Richtergremiums. Dieses könne in Fällen von Schwerstkriminalität über Maßnahmen der Vorratsdatenspeicherung, der Online-Durchsuchung oder der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) entscheiden. Bei Letzterer geht es darum, mittels eines Trojaner-Einsatzes („Bundestrojaner“) etwa Internettelefonate zu überwachen, um gegen Schwerkriminalität oder Terrorismus vorzugehen.
„Eine derartige Software wird derzeit von uns entwickelt, sie muss aber hohen Anforderungen hinsichtlich Datenschutz und IT-Sicherheit sowie speziellen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügen“, erklärte Ziercke. Bis zum Abschluss dieser Entwicklung sei ein kommerzielles Produkt beschafft worden - es entspreche aber noch nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben und werde vom BKA nicht eingesetzt.
Auch gegen die Vorratsdatenspeicherung gibt es starke rechtliche Bedenken. „Es wird immer so dargestellt, als fordere nur das BKA die Vorratsdatenspeicherung“, sagte Ziercke. „Das ist nicht nur meine Meinung, sondern Konsens unter den Länderinnenministern, Staatsanwälten und Ermittlern.“
Der 67-Jährige steht seit dem Jahr 2004 an der Spitze der Sicherheitsbehörde. Er verabschiedet sich in diesem Monat in den Ruhestand.
Weiter gehende Befugnisse seien auch zur Bekämpfung der Internetkriminalität nötig, sagte Ziercke. Derzeit könnten 70 Prozent der Fälle nicht aufgeklärt werden. „Das hängt auch mit der fehlenden Vorratsdatenspeicherung und der Verschlüsselung der Internettelefonie zusammen“, erläuterte er.
Der Begriff Vorratsdatenspeicherung steht für die systematische Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten. Sie soll Fahndern bei der Jagd nach Terroristen und anderen Schwerverbrechern helfen. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof hatten Bedenken gegen die Vorratsdatenspeicherung geäußert.