Nach den Wahlen in den USA: Müssen nun die Deutschen ran?

Manche halten Obama jetzt auch in internationalen Dingen für kaum noch handlungsfähig. Ansprüche an Berlin steigen.

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Berlin. Keine großen Wahl-Partys, keine hitzigen Diskussionsrunden bis in den Morgen, keine Pappfiguren von Barack Obama in Lebensgröße mehr. Von der Begeisterung für den US-Präsidenten ist auch in Deutschland nicht mehr viel übrig. Das Ergebnis der Zwischenwahlen wurde am Mittwoch in Berlin recht geschäftsmäßig zur Kenntnis genommen. Die Niederlage von Obamas Demokratischer Partei überraschte wirklich keinen mehr.

Aber was heißt das nun für die deutsch-amerikanischen Beziehungen, um die es wegen der Aktivitäten des US-Geheimdiensts NSA ohnehin nicht besonders bestellt ist? Ist der Präsident für die restlichen zwei Jahre seiner Amtszeit tatsächlich eine „lame duck“, eine „lahme Ente“? Und, falls die USA international weniger leisten können, muss Deutschland dann möglicherweise mehr machen?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt sich mit Kommentaren zunächst zurück. Außenminister Frank-Walter Steinmeier nahm das Ergebnis „mit Respekt“ zu Kenntnis. Der SPD-Mann mahnte aber auch: „Gerade angesichts der drängenden Krisen in der Welt ist ein handlungsfähiges Amerika sehr wichtig. Politische Blockaden in Washington können wir uns nicht leisten.“

Viele in Europa plagt die Sorge, dass die USA in den aktuell gerade nicht wenigen internationalen Konflikten an Handlungsfähigkeit verlieren. Der Grund ist simpel: Wenn Obama in seiner Führungskraft weiter geschwächt wird, dürften die Ansprüche an die Europäer steigen. Und in der EU gelten die Deutschen derzeit als wichtigste Größe.

Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Arbeit für Obama durch die doppelte gegnerische Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat auch in außenpolitischen Angelegenheiten schwieriger wird. Der langjährige Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit, Karsten Voigt (SPD), meint: „Man muss leider befürchten, dass sich die Polarisierung auch in der Außenpolitik niederschlägt.“

Die ersten Auswirkungen erwarten viele bei den Atom-Verhandlungen mit dem Iran, wo die Frist für eine Einigung am 24. November zu Ende geht. Die Bereitschaft des US-Kongresses, Sanktionen gegen Teheran aufzuheben, dürfte nun noch geringer sein. Auch bei den derzeit laufenden Bemühungen um einen neuen weltweiten Klima-Vertrag und ein Freihandelsabkommen (TTIP) mit den Europäern sind die Spielräume für Obama kleiner geworden.

Gegenüber Russland könnte sich der Ton verschärfen. Bei den Republikanern gibt es viele, die von der Ukraine-Strategie des Westens — Sanktionen gegen Moskau, aber auch Dialog — nichts halten. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner, John McCain, wird im Senat vermutlich an die Spitze des Verteidigungsausschusses aufrücken. Er gilt gegenüber den Russen als besonderer Hardliner.

Manche Experten erwarten deshalb, dass Deutschland bei verschiedenen internationalen Konflikten in eine wichtigere Rolle rücken könnte — zumal die schwarz-rote Bundesregierung bereits deutlich gemacht hat, dass sie zur Übernahme von mehr Verantwortung auch bereit wäre.

Klar ist aber auch, dass sich Deutschland mit einer Rolle als Überall-Vermittler schnell überfordern würde. Der ehemalige Transatlantik-Koordinator Voigt sagt: „Wer glaubt, dass wir die USA auch nur in irgendeiner Rolle ersetzen können, der irrt.“ Und er fügt an: „Die Vereinigten Staaten sind eine Macht. Wir sind ein Mächtchen.“