K-Frage Brauchen die Grünen bald einen Kanzlerkandidaten?

Berlin · Nach der Hessen-Wahl könnte die Partei vor der K-Frage stehen – und mit ihr die SPD. Wird Grünen-Chef Robert Habeck vielleicht mal Kanzler? Oder seine Co-Vorsitzende Annalena Baerbock Kanzlerin?

Foto: dpa/Britta Pedersen

Die Partei der beiden befindet sich im Umfragehoch. Laut Demoskopen hat sie im Bund die SPD bereits überholt. Platzt also nach der Hessen-Wahl die Große Koalition in Berlin, könnte sich bei möglichen Neuwahlen für die Grünen plötzlich die K-Frage stellen. Aber wohl nicht mehr für die SPD.

Noch scheuen sie die Debatte. Jetzt konzentriere man sich auf die Landtagswahl in Hessen am Sonntag, heißt es abwehrend bei den Grünen. Dort weiß man, dass die Diskussion über einen Kanzlerkandidaten eine zur Unzeit wäre und schnell als Größenwahn und Übermut ausgelegt werden könnte. Umfragen sind auch nur Momentaufnahmen. Doch hinter den Kulissen wird schon über „was wäre, wenn“ nachgedacht: „Bei 25 Prozent müsste darüber geredet werden“, sagt ein Insider.

Vielleicht liegt das gegenwärtige Hoch daran, dass die Partei seit langem nicht mehr durch ihre früheren Markenzeichen aufgefallen ist: durch Streit, Verbotsforderungen und krude Ideen wie dem Veggie Day. Es herrscht innerparteiliche Harmonie, eine fast schon beängstigende Harmonie. Das Problem der Grünen ist allerdings, dass sie schon immer zu viel Personal für zu wenige Posten hatten. Momentan drängeln sich gleich fünf Spitzenleute ins Scheinwerferlicht: die beiden Vorsitzenden Baerbock und Habeck, die Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter sowie im Hintergrund Ex-Parteichef Cem Özdemir, der kein Mikrofon auslässt. Nur einer von ihnen könnte grüner Kanzlerkandidat werden. Wie immer müsste es schön basisdemokratisch bei der Kür zugehen. Das Problem: Die K-Frage würde den momentan ruhenden Konflikt zwischen Fundis und Realos wohl neu beleben. Wie schon so oft in der Vergangenheit, wenn es um Macht- und Personalfragen ging.

Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer formuliert es so: Die Grünen müssten abwägen „zwischen dem Anspruch, als relevante Partei um die Kanzlerschaft zu konkurrieren, und der Gefahr, sich damit wegen zu geringer Wählerunterstützung lächerlich zu machen“. Erinnerungen werden wach. Und zwar an das Jahr 2001, als die FDP ihr „Projekt 18“ ins Leben rief und monatelang über einen eigenen Kanzlerkandidaten debattierte. Damals erntete die Partei jede Menge Spott. Mit Blick auf die Grünen ist für Niedermayer klar: Bei anhaltend hohen Umfragewerten und bei Neuwahlen könnten sie, „mit einem eigenen Kanzlerkandidaten ihrem Anspruch, die neue dominierende Kraft in der linken Mitte zu sein, Nachdruck verleihen“. Der Politikexperte Albrecht von Lucke geht noch einen Schritt weiter: Wenn die Volksparteien weiter schrumpften, verändere sich die Lage fundamental. „Alle Parteien ab circa 20 Prozent werden dann kanzlerfähig und müssten Kandidaten aufbieten.“

Aus Sicht der Experten wäre derzeit Robert Habeck der geeignete Grünen-Kandidat. Er kommt beim breiten Publikum am besten an. Bleibt die Frage, was die SPD machen sollte. Die Vorsitzende Andrea Nahles galt vielen bereits als Kanzlerkandidatin, doch die Genossen laufen Gefahr, bald nicht einmal mehr drittstärkste Kraft im Bund zu sein. Eine immer kleiner werdende Sozialdemokratie könnte sich eine Kanzlerkandidatin eigentlich sparen, glaubt von Lucke. Das, so Niedermayer, wäre dann aber die endgültige Aufgabe des Anspruchs der SPD, Volkspartei zu sein.

(red)