Studie Elternhaus prägt Schulerfolg deutscher Kinder noch sehr
Berlin · Weniger Kinder von Eltern ohne Abi erreichen einen Hochschulabschluss als im internationalen Vergleich.
Kinder aus sozial schwächeren Familien haben in Deutschland deutlich schlechtere Erfolgschancen in der Schule als Akademikerkinder. Aber die Schere wird kleiner, wie OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher bei der Präsentation einer neuen Studie sagte.
Es handelt sich um eine neue Auswertung der jüngsten PISA-Daten, die am Dienstag veröffentlicht wurde. PISA ist eine große Schulleistungsstudie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Demnach erreichen die Kinder von Eltern mit hohen Abschlüssen deutlich häufiger selbst akademische Zeugnisse als Kinder von Eltern mit geringeren Abschlüssen.
Abschlüsse:
Nur knapp 15 Prozent der Erwachsenen mit Eltern ohne Abitur erreichen in Deutschland ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Im Durchschnitt der meisten OECD-Länder sind es immerhin 21 Prozent. Fast jeder vierte schafft in Deutschland allerdings einen höheren Bildungsabschluss als die Eltern. Besonders wichtig ist das, weil die Abschlüsse über die Berufschancen entscheiden: Bei den Hochschulabsolventen liegt die Arbeitslosenquote bei etwa der Hälfte der ohnehin vergleichsweise geringen Quote in Deutschland.
Nachteile:
Schon in der Schule kommt es oft nicht zu einer Durchmischung von benachteiligten und weniger benachteiligten jungen Leuten. So zeigt der Bericht, dass 46 Prozent der Schüler mit sozialer und ökonomischer Benachteiligung Schulen besuchen, die viele benachteiligte Schüler versammeln. Im OECD-Schnitt sind es allerdings sogar noch etwas mehr (48 Prozent). Und diese Durchmischung macht oft den Unterschied: Laut den OECD-Experten erreichen benachteiligte Schüler in nicht benachteiligten Schulen deutlich bessere Leistungen.
Verbesserungen:
Bei den Leistungen sieht man laut OECD in den vergangenen Jahren deutliche Verbesserungen in Deutschland, was die Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status anbelangt. Dennoch liegen Schüler aus sozial schwächeren Familien laut jüngstem PISA-Test 2015 in den Naturwissenschaften im Schnitt so stark hinter den privilegierten Kindern, dass der Leistungsunterschied dem Lernstand von drei Schuljahren entspricht. Die OECD-Bildungsexperten erklären bei den Naturwissenschaften 16 Prozent der Leistungsunterschiede mit dem sozialen Hintergrund. Knapp zehn Jahre zuvor waren es noch vier Prozentpunkte mehr.
Seit gut zehn Jahren ist der Anteil der Unter-Drei-Jährigen, die einen Kindergarten besuchen, um 20 Prozentpunkte gestiegen. Und in kaum einem anderen Land ist der Anteil benachteiligter Schüler mit soliden Leistungen so deutlich gewachsen wie in Deutschland, von 25,2 im Jahr 2006 auf 32,3 Prozent 2015.
Hintergründe:
Mittlerweile ist der PISA-Schock 17 Jahre her. Damals zeigte die OECD, dass die Leistungen der deutschen Schüler unterdurchschnittlich und stark an die soziale Herkunft gekoppelt waren. Und trotz aller Verbesserungen zieht sich Benachteiligung auch heute oft die ganze Bildungslaufbahn durch: OECD-Bildungsdirektor Schleicher sieht viele Ansatzpunkte – im Klassenzimmer, bei Schulen und im Bildungssystem. Frühkindliche Bildung müsste vor allem für Familien etwa mit ausländischen Wurzeln und für Ärmere noch stärker ausgebaut werden. Auch könnten für benachteiligte Schüler und Schulen schlicht mehr Mittel fließen, meint er. SPD-Bildungsexperte Oliver Kaczmarek forderte die Regierung auf, Investitionen für die geplante Schuldigitalisierung und den versprochenen Ausbau von Ganztagsangeboten voranzutreiben. Linke-Bildungspolitikerin Birke Bull-Bischoff forderte einen Bildungsgipfel mit konkreten, klaren Zielen und Maßnahmen, Zeitplänen und Finanzierungswegen.