Fragen und Antworten Braune Kameraden: Versagt die Bundeswehr beim Umgang mit Rechtsextremen?
Rassistische Theorien und eine Stube mit Wehrmachtsgegenständen: Der terrorverdächtige Soldat Franco A. fiel bei der Bundeswehr früh auf. Doch man ließ ihn gewähren. Das passiert nicht zum ersten Mal.
Berlin. Ein Rechtsextremer, der unbehelligt bei der Bundeswehr seinen Dienst tun darf: Der Fall Franco A. erinnert an andere düstere Vorkommnisse aus der Vergangenheit. Schon einmal hat das Militär nicht genau hingeschaut bei einem Extremisten in den eigenen Reihen - mit verheerenden Folgen.
Wer hat die Ermittlungen gegen Franco A. in Gang gesetzt?
Der erste Hinweis kommt aus Frankreich, wo der Soldat an der Militärakademie Saint-Cyr studiert. Der dort zuständige General Antoine Windeck lehnt die Masterarbeit des Deutschen im Januar 2014 ab, weil sie völkische Theorien enthält. Windeck informiert A.s Vorgesetzten und erklärt: „Wenn es ein französischer Lehrgangsteilnehmer wäre, würden wir ihn ablösen.“ Die Bundeswehr leitet Vorermittlungen gegen Franco A. ein. Die werden allerdings nach einer Anhörung und einer „mündlichen Ermahnung“ eingestellt. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) wird nicht informiert. Erst nachdem die österreichische Polizei den Soldaten später vorübergehend in Wien festnimmt, wo er eine Waffe auf einer Flughafentoilette versteckt hat, befassen sich auch die Bundeswehr und die deutschen Sicherheitsbehörden mit dem Soldaten.
Was hat die Bundeswehr in diesem Fall übersehen?
Franco A. hatte Wehrmachtsdevotionalien in seiner Stube. In seiner Masterarbeit hantiert er mit Thesen, die ein Gutachter als „völkisch“ und rassistisch“ einstuft. Den britische Holocaust-Leugner David Irving stellt er in dieser Arbeit als Opfer subversiver Aktivitäten dar. Wie offen Franco A. seine rechtsextreme Gesinnung im Dienst zeigte, ist noch Gegenstand von Ermittlungen. Es gibt allerdings bisher keine Hinweise darauf, dass er ein Einzelgänger war.
Welche Konsequenzen hatte der Hinweis aus Wien?
Der - inzwischen eingeschaltete - MAD informiert am 4. Februar 2017 den Kommandeur des Jägerbataillons 291 in Illkirch, wo A. nun stationiert ist. Das Bundeskriminalamt stellt nach einer Überprüfung fest, dass sich der Soldat eine zweite Identität als syrischer Flüchtling zugelegt hat. Franco A. wird zum Waffenfund in Wien befragt. Später stellt sich heraus, dass der Verdächtige auch nach Bekanntwerden des Waffenfundes noch eine Schießübung leiten darf. Bei dieser Übung ist womöglich Munition abhandengekommen.
Ist das der erste Fall, in dem jemand trotz rechter Gesinnung unbehelligt seinen Dienst bei der Bundeswehr tun konnte?
Nein. Prominentestes Beispiel ist der Fall von Uwe Mundlos. Der Mann, der später zum Rechtsterroristen wurde und gemeinsam mit seinen Komplizen vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ ab dem Jahr 2000 eine beispiellose Mordserie beging, fiel schon in den 90er Jahren beim Wehrdienst als Rechtsextremer auf. Bei ihm wurden damals Dinge gefunden, die keinen Zweifel an seiner Gesinnung ließen: ein Bild des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß, persönliche Visitenkarten mit dem Kopf von Adolf Hitler, rechte Musik, Flugblätter der NPD.
Wie ging die Bundeswehr damals mit Mundlos um?
Vorgesetzte vernahmen ihn, holten Erkundigungen ein. In der Personalakte wurde damals vermerkt: „Die Einleitung eines disziplinargerichtlichen Verfahrens ist nicht vorgesehen. Uwe Mundlos erfüllte seinen Dienst bisher zur vollen Zufriedenheit und fiel bisher nicht negativ auf.“ Mundlos' Kompaniechef plädierte zwar für sieben Tage Disziplinararrest. Antreten musste der Soldat die Strafe aber nie. Stattdessen beförderte die Bundeswehr Mundlos. Zum Abschluss bekam er ein passables Zeugnis. Zu einer Entlassung kam es nicht. Die Begründung: Es handele sich um einen Wehrpflichtigen.
War der Bundeswehr-Geheimdienst MAD im Fall Mundlos involviert?
Ja. MAD-Leute befragten Mundlos damals - allerdings mit großer Verzögerung. Das Gespräch blieb auch folgenlos. Noch dazu kam die MAD-Akte Mundlos bei der NSU-Aufklärungsarbeit Jahre später nur quasi nebenbei ans Licht. Ein Ex-MAD-Mann beklagte schließlich im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages, es sei frustrierend, dass die Überprüfungen durch seine Leute oft keine Konsequenzen gehabt hätten. Mitunter sei es sogar schwierig gewesen, die Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass ein Rechtsextremer nicht Zeitsoldat werden dürfe; schließlich hätten sich Rechte oft als „gute Soldaten“ hervorgetan. Mundlos war kein Einzelfall. Mit anderen Rechtsextremen ging das Militär in der Vergangenheit auch schonend um.
Hat sich denn trotz solcher Skandale nichts getan beim Militär?
Es gab Änderungen - unter anderem, um dafür zu sorgen, dass Wehrpflichtige, die durch extremistisches Gedankengut auffallen, nicht mehr als Zeitsoldaten übernommen werden. Im Dezember 2016 wurde auch eine Verschärfung beschlossen. Jetzt werden alle Bundeswehr-Bewerber vorab vom MAD durchleuchtet, um Extremisten von der Truppe fernzuhalten. Das Problem bleibt aber. Laut Verteidigungsressort bearbeitet der MAD derzeit 280 Rechtsextremismus-Verdachtsfälle in der Truppe. Zwischen 2012 und 2016 seien 18 Angehörige der Bundeswehr vorzeitig wegen Rechtsradikalismus entlassen worden.