Bützow gegen Nazis: Eine Kleinstadt engagiert sich für Flüchtlinge
Nach dem schlagzeilenträchtigen Abgang des Bürgermeisters im sachsen-anhaltinischen Tröglitz wegen Neonazi-Anfeindungen ist man andernorts in Ostdeutschland achtsam geworden. Zum Beispiel in Bützow in Mecklenburg, wo rund 100 Flüchtlinge leben. Ein Ortstermin.
Bützow (dpa) - In der mecklenburgischen Kleinstadt Bützow leben 7500 Einheimische - und neuerdings rund 100 Flüchtlinge. Schloss und Rathaus sind herausgeputzt, in der Hauptstraße reiht sich Geschäft an Geschäft. Viele pendeln zur Arbeit nach Rostock oder Hamburg, erzählt Bürgermeister Christian Grüschow (parteilos): „Bützow hat sich gut entwickelt.“ Umso überraschter war er, als am Wochenende eine von Rechtsextremisten organisierte Demonstration mit teils fremdenfeindlichen Sprüchen vor eine der Flüchtlingsunterkünfte zog.
In Windeseile organisierte das Bündnis „Eine Blume für Bützow“ eine Gegendemo. Obwohl die Rechten ihre Kundgebung nur 48 Stunden zuvor angemeldet hatten, mobilisierte das Bündnis immerhin noch rund 50 Leute. Britta Schacht, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, gründete zusammen mit anderen „Eine Blume für Bützow“, als es im vergangenen Jahr hieß, der Stadt würden 55 Asylbewerber zugeteilt. Das Bündnis sammelte Bettwäsche, Spielzeug und andere Spenden, organisierte Deutschkurse, die pensionierte Lehrer geben.
Als nächstes soll eine Fahrradwerkstatt entstehen. „Zu jeder Flüchtlingswohnung sollten Fahrräder gehören“, sagt Schacht. Die Reparatur alter, gespendeter Drahtesel und ihre Instandhaltung - das sollen die Asylbewerber dann selbst leisten. Der Bürgermeister betont, seine Stadt sei nicht ausländerfeindlich. „Die Stimmung in der Bevölkerung gegenüber den Flüchtlingen ist nicht schlecht“, sagt Grüschow. Die meisten Teilnehmer der Rechten-Demo gegen die Asylbewerber seien auch nicht aus Bützow, sondern von auswärts angereist. Aber einige wohnten eben doch in der Stadt.
Nach dem Aufzug war Britta Schacht drei Tage lang unwohl. Sie selbst habe zwar bislang keine Drohungen erhalten, sagt sie. „Aber ich weiß von anderen, die welche bekommen haben.“ Die Berichte aus Tröglitz in Sachsen-Anhalt, wo der Ortsbürgermeister nach rechtsextremistischen Anfeindungen zurücktrat, geben vielen hier in Bützow zu denken. Peter Müller hat keine Angst. „Diese gehirnamputierten Rechten“, sagt der 72-jährige Sozialdemokrat - und winkt ab. „Denen muss die Demokratie viel deutlicher sagen: Bis hier und nicht weiter.“
Der Geschäftsführer des Bützower Berufsbildungsvereins hat Arbeit für Flüchtlinge organisiert. Er ist voll des Lobes. Pünktlich seien sie, arbeitsam und kreativ. Sollte doch einer lustlos zu Werke gehen, kriegt er was zu hören. „Deutschland ist schön, nicht wahr?“, pflegt Müller dann zu fragen und nachzuschieben: „Weil hart gearbeitet wird. Von alleine wird das nichts.“ Müllers Projekt bietet seit Jahresbeginn insgesamt 50 Flüchtlingen Beschäftigung. In der Tischlerwerkstatt stellen sie von Holzlöffeln bis zu Kleinmöbeln alles her, was sie gebrauchen können.
Eine Gruppe Ukrainer aus dem Kriegsgebiet Donbass schleift am Nachbau eines Wikingerschiffs, den der Bützower Kanuverein bekommen soll. „Für die Kinder aller Couleur“, sagt Müller. Ende April läuft das Projekt aus. Und dann? „Dann stellen wir einen neuen Antrag.“ Maxim Gulchak ist einer der ukrainischen Kriegsflüchtlinge, die am Wikingerschiff arbeiten.
Einmal pro Woche hat er Deutsch-Unterricht. „Das ist zu wenig. Ich würde gerne täglich Unterricht nehmen“, sagt der 36-Jährige, der mit Frau und zwei Kindern nach Deutschland kam. Gulchak ist gelernter Goldschmied. Müller wünscht ihm, dass er einen Aufenthaltstitel bekommt. Dann würde er Gulchak und seinen Kollegen mit Metall-Erfahrung gleich einen Schweißerkurs anbieten. „Von den Unternehmen hier in der Gegend bekomme ich Anfragen nach Schweißern - so viele kann ich gar nicht ausbilden.“