Bundesnachrichtendienst bekommt neuen Chef
Berlin (dpa) - Die Erwartungen an Gerhard Schindler könnten kaum gegensätzlicher sein. Für die Bundesregierung sollen der neue BND-Präsident und sein Auslandsgeheimdienst ohne viel Aufsehen und vor allem ohne neue Skandale die Lage in den Krisengebieten der Welt aufklären.
Und geht es nach dem Willen etlicher Politiker, soll Schindler zugleich den Kurs der Offenheit gegenüber Parlament und Öffentlichkeit fortsetzen. Vorgänger Ernst Uhrlau, der nun aus Altersgründen aus dem Amt scheidet, hatte mit diesem Ansatz selbst bei Grünen und Linken Achtung gewonnen.
Der 59 Jahre alte Schindler gilt als Fachmann für kriminelle und terroristische Netzwerke. Nach Abitur, Wehrdienst und Jurastudium stieg er beim Bundesgrenzschutz ein, auch im Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitete er schon. 1989 wechselte er ins Bundesinnenministerium, hatte verschiedene Posten. Noch unter Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) wurde er Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit und bekam die Fachaufsicht über das Bundeskriminalamt und den Bundesverfassungsschutz. Schindlers bisherige Abteilung erstellt Konzepte zur Verbrechensbekämpfung und zur Abwehr von Extremismus und Terrorismus.
Das dürfte dem verheirateten Vater eines Kindes auf seinem Posten zugutekommen. Die Vorschusslorbeeren bei Sicherheitsexperten im Parlament sind groß, aber auch die Erwartungen sind hoch.
CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl, Mitglied im Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste, kritisiert eine zu große Zurückhaltung des BND in den vergangenen Jahren. Oft seien Mitarbeiter abgezogen worden, wenn sich in Krisengebieten die Lage verschärft habe. „Aber gerade dort müsste die Präsenz des BND verstärkt werden.“ Unter Uhrlau, der auf SPD-Ticket ins Amt gekommen war, seien die Fähigkeiten des Bundesnachrichtendienstes oft nicht in vollem Umfang genutzt worden. Schindler sei nun der richtige Mann: „Er kennt sich aus beim Thema öffentliche Sicherheit, er wird auch den nötigen Mut und Tatendrang für seine Aufgabe mitbringen.“
Uhls Grünen-Amtskollege Hans-Christian Ströbele kennt den neuen BND-Präsidenten aus den Befragungen im BND-Untersuchungsausschuss um die Rolle des Auslandsgeheimdienstes im Irak-Krieg. Damals habe Schindler einen „besonnenen, nicht verbissenen Eindruck gemacht. Er wirkte nicht geschwätzig, eher leutselig.“ Uhrlau habe er „vor allem dafür geschätzt, dass er den Dienst transparenter gestaltet hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Schindler ernsthaft versuchen sollte, das zurückzudrehen“, sagt Ströbele. „Ganz dringend hoffe ich, dass auch die internationale Vernetzung des Rechtsterrorismus sehr viel mehr in den Mittelpunkt der BND-Arbeit rückt.“
Für SPD-Innenexperte Michael Hartmann ist Schindler „akkurat und preußisch“. „Er ist ein knallharter Sicherheitsmann, der aber weiß, was die Vorgaben der Politik bedeuten.“ Zurückhaltende Äußerungen gibt es aus der FDP zu Schindler: Der neuen BND-Chef hat zwar ein FDP-Parteibuch, ist aber in Sicherheitsfragen auf Linie der Union.
Linken-Innenexperte Wolfgang Neskovic beschreibt Schindler als „im Auftreten freundlich und korrekt, mit einer kühlen, verbindlichen Art. Er ist ein intelligenter Meister des Tarnens und Vertuschens, ein sicherheitspolitischer Hardliner.“ Für Schindler habe die gesellschaftliche Freiheit einen geringeren Wert als die Sicherheit. „Er sollte den Dienst weiter reformieren und ihn insbesondere kontrollbereiter machen“, fordert Neskovic: „Der Mythos des Geheimen muss durchbrochen werden.“ Insgesamt sei eine deutliche Verkleinerung des 6000 Mitarbeiter starken Dienstes sinnvoll.