Bundeswehr: Die Truppe ist im Stimmungstief
Die Zahl der Eingaben an den Wehrbeauftragten des Bundestags ist im vergangenen Jahr stark gestiegen.
Berlin. Die Belastung durch Auslandseinsätze, der Personalmangel, die massive Verunsicherung durch die Truppenreform hätten viele der 184 000 Männer und Frauen ans Limit gebracht, meinte der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus (FDP) bei der Vorstellung seines Jahresberichtes. „Besserung zeichnet sich nicht ab“, so Königshaus.
An die 5000 Soldaten sind in mehr als zehn Ländern stationiert. Viele klagen über zu häufige Einsätze und zu kurze Regenerationszeiten dazwischen. Obwohl sie eigentlich nach vier Monaten im Ausland 20 Monate daheim ihren Dienst versehen sollen.
Neue Auslandseinsätze seien nur möglich, so der Wehrbeauftragte, wenn die Bundeswehr das nötige Personal auch „durchhaltefähig stellen kann“. Das sei vielfach nicht gewährleistet.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) plädiert indes dafür, das militärische Engagement auszuweiten. Zum Beispiel in Afrika.
Die von Ministerin von der Leyen angestoßene Diskussion ist laut Königshaus bei den Soldaten gut angekommen. Den Bekenntnissen müssten nun aber Taten folgen, auch bei der Finanzierung. Das Familienleben vieler Truppenangehöriger leidet vor allem unter häufigen Umzügen und der Pendelei zwischen Wohn- und Dienstort.
So quittierte beispielsweise ein Berufssoldat mit 42 Jahren den Dienst, weil er nach sechs Auslandseinsätzen, monatelanger Trennung von der Familie und mehrfachen Umzügen „psychisch und physisch“ nicht mehr konnte.
Rund 18 500 Frauen gehören der Truppe an. Eine lange vom Verteidigungsministerium unter Verschluss gehaltene Studie aus dem Jahr 2011 hat jetzt für Aufsehen gesorgt, da daraus hervorging, dass 55 Prozent der Soldatinnen bereits mindestens einmal sexuell belästigt worden sind. Königshaus nannte dies „beunruhigend“. Laut Wehrbericht wurden letztes Jahr offiziell 64 „besondere Vorkommnisse“ in Bezug auf sexuelle Übergriffe gemeldet. Im Vorjahr waren es 50. Königshaus beklagte, Opfer hätten oft Angst, Übergriffe zu melden.
Vor allem die medizinische Versorgung bleibt ein Problem. „Wir haben einen großen Ärztemangel“, so Königshaus. Das sei auch Folge der Bundeswehrreform, da der Sanitätsdienst deutlich verkleinert worden sei. Allein 400 Dienstposten sind demnach in der einsatzrelevanten Intensiv- und Notfallversorgung nicht besetzt.