Castor-Transport nach Blockaden im Zwischenlager
Lubmin (dpa) - Trotz heftiger Proteste von Kernkraftgegnern hat der Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll das Zwischenlager Nord in Lubmin sicher erreicht. Der aus Karlsruhe kommende Zug traf mit seiner strahlenden Fracht am Donnerstagmorgen mit knapp vierstündiger Verspätung ein.
Die in fünf Castor-Behältern verstauten 56 Tonnen Atommüll aus der stillgelegten Wiederaufarbeitungsanlage in Karlsruhe sollen bis zur Fertigstellung eines deutschen Endlagers nun an der Ostsee deponiert werden.
Der Transport war auf der rund 900 Kilometer langen Strecke von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet worden. Rund 6230 Beamte von Landes- und Bundespolizei waren zeitgleich im Einsatz. Die Polizei zog ein positives Fazit. Der Transport habe sicher sein Ziel erreicht, sagte der Einsatzleiter der Bundespolizei, Joachim Franklin. Zudem seien die Protestveranstaltungen überwiegend friedlich gewesen.
Die Polizei wies den Vorwurf unangemessener Gewaltanwendung zurück. Die Kritik, die Polizei sei „super brutal“ gegen Demonstranten vorgegangen, treffe nicht zu, sagte Franklin. In einem Fall sei ein Demonstrant in Kemnitz nahe Lubmin bei dem Versuch, die Schienen zu blockieren, verletzt worden und habe sich eine blutige Nasse geholt. Dass Demonstranten Zähne ausgeschlagen wurden, könne er nicht bestätigen. Franklin kündigte eine umfassende Prüfung der Vorgänge an. Der verletzte Atomkraftgegner hat inzwischen Strafantrag gegen die Polizei gestellt.
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sagte eine Prüfung der Beschwerden zu. „Etwaige Vorwürfe gegen einzelne Polizisten, unverhältnismäßig gehandelt zu haben, werden überprüft, transparent behandelt und gegebenenfalls geahndet“, erklärte der Minister. Eine Vorverurteilung lehne er aber ab. Bei dem Einsatz zählte die Polizei 17 Festnahmen, sowie 367 Platzverweise und 104 Gewahrsamnahmen. Das waren mehr als beim letzten Castor-Einsatz im Dezember 2010. Damals hatte die Polizei 167 Platzverweise und 74 Gewahrsamnahmen dokumentiert. „Wir wollten die Leute dieses Mal früher von den Gleisen haben“, begründete Franklin die Zunahme.
Atomkraftgegner hatten an verschiedenen Stellen den Zug zu unfreiwilligen Stopps gezwungen. Die meisten Proteste verliefen laut Polizei friedlich. Bei Gleisblockaden unmittelbar vor Lubmin griff die Polizei allerdings härter durch, es gab Verletzte. „Es wurde geschubst, getreten und geschlagen“, sagte Ulrike Berger vom Landesverband der Grünen. Demonstranten berichteten von gezielten Faustschlägen.
Protestaktionen hatte es vor allem beim Start in Karlsruhe, in Halle/Saale und in mehreren Orten Mecklenburg-Vorpommerns gegeben. „Die Zeiten der stillen Atommülltransporte in den Nordosten Deutschlands sind definitiv vorbei“, betonte Sophie Hirschelmann, Sprecherin des Anti-Atom-Bündnisses Nordost. Landesweit hätten sich etwa 600 Menschen an den Protesten beteiligt. Bundesweit wurden Mahnwachen, „Gleisspaziergänge“ oder Sitzblockaden an 22 Orten gezählt.
Der früher als „Atomsuppe“ bezeichnete stark strahlende Müll war in Karlsruhe verglast worden, um ihn transportfähig zu machen. Die Lagerung in Lubmin ist heftig umstritten. Das von den bundeseigenen Energiewerken Nord betriebene Zwischenlager war ursprünglich nur für Atommüll aus den ostdeutschen Kernkraftwerken in Lubmin und Rheinsberg vorgesehen. Doch auf Betreiben der Bundesregierung wurden gegen den Widerstand der Landesregierung inzwischen auch Castoren mit Brennstäben und stark strahlendem Abfall aus Forschungseinrichtungen des Bundes nach Lubmin gebracht.