CDU will behutsam Abschied von Hauptschule nehmen
Berlin (dpa) - Die CDU wendet sich vom lange favorisierten dreigliedrigen Schulsystem ab, will den Abschied von der Hauptschule aber nicht überstürzen.
„Es muss niemand eine funktionierende Hauptschule auflösen“, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) nach einem Beschluss des CDU-Bundesvorstands am Montag in Berlin. Die Hauptschule müsse aber weiterentwickelt werden.
Ziel sei ein Prozess bis 2020, um angesichts sinkender Schülerzahlen Standorte zu erhalten. Der Entwurf soll mit der Basis diskutiert und beim Parteitag im Herbst beschlossen werden. Aus den Landesverbänden kamen zumeist unterstützende Signale. Während die FDP mit Kritik reagierte, kommt Lob von den Gewerkschaften. Die Grünen sprechen von einem „Schritt in die richtige Richtung“.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, erfolgreiche Bildungspolitik sei ein Markenzeichen der Union. Es sei jedoch viel passiert, seitdem vor elf Jahren zuletzt umfassende Leitsätze auf einem Bundesparteitag verabschiedet worden seien. Das nun erarbeitete Konzept mit dem Titel „Bildungsrepublik Deutschland“ wurde im CDU-Bundesvorstand einmütig beschlossen. Nach Teilnehmerangaben gab es nur einige Enthaltungen.
Es sieht die Einführung eines „Zwei-Wege“-Schulmodells in allen Ländern vor. Neben dem Gymnasium soll es künftig eine Oberschule geben, die „Hauptschul- und Realschulgang miteinander verbindet“. Im Vergleich zur Beschlussvorlage wurden einige Passagen geändert. So wurde eingefügt, dass daneben „funktionierende Haupt- und Realschulen vor Ort“ respektiert würden, „wo dies dem Elternwillen entspricht“.
Schavan räumte ein, dass es „kritische Fragen“ in Nordrhein- Westfalen und Baden-Württemberg gebe. Es sei nun aber die große Chance vorhanden, dass die CDU bildungspolitisch mit einer Stimme spreche und gleichzeitig regionale Vielfalt zulasse. Sachsens Kultusminister Roland Wöller (CDU) - neben Schavan Mitautor des Konzepts - betonte, das Gymnasium mit seiner Leistungsorientierung bleibe ein Kernstück des Systems. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte in Berlin: „Die Union ist in der gesellschaftlichen Wirklichkeit angekommen.“
CDU-Spitzenpolitiker aus den Ländern deuteten grundsätzliche Unterstützung an. Die Vorschläge gingen „absolut in die richtige Richtung“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) vor der Sitzung. Deutschland werde sich „auf ein Zwei-Säulen- System hinbewegen.“ Thüringens Regierungschefin Christine Lieberknecht (CDU) sagte, in ihrem Land habe es Hauptschulen gar nicht gegeben. „Was in Thüringen gut geht, warum soll das nicht auch woanders gehen?“ NRW-Landeschef Norbert Röttgen begrüßte das Konzept im Grundsatz, das dazu diene, „ein ortsnahes Angebot auch an Auswahlmöglichkeiten von Schulen, Schulangeboten“ aufrechtzuerhalten.
Der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl kritisierte dagegen, der Entwurf trage „zu sehr zentralistische Züge.“ Daher solle die Südwest-CDU auf einem Sonderparteitag über die Bildungspolitik diskutieren, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“.
FDP-Bildungsexperte Patrick Meinhardt sagte, die CDU „verabschiede sich von einer modernen bürgerlichen Bildungspolitik“. Keinem Hauptschüler sei damit gedient, dass er den Stempel Oberschüler trage. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nannte die Abschaffung der Hauptschule vernünftig.
Das Schulkonzept ist Teil eines 31-seitigen bildungspolitischen Leitantrages. Er soll im September auf Regionalveranstaltungen diskutiert und im November auf dem CDU-Parteitag in Leipzig verabschiedet werden. Daneben will die CDU laut Entwurf künftig „integrative Systeme“ (Gesamt- oder Gemeinschaftsschulen) „respektieren“, wo dies „dem Elternwillen entspricht“.