CSU für Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter
Nürnberg/Dinkelsbühl/Prag (dpa) - Die Thema war jahrzehntelang tabu. Jetzt dringt die CSU darauf, die Forderung nach einer Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter auf die Tagesordnung zu bringen. Der Bund müsste dafür rund 200 Millionen Euro aufbringen.
Nach der weitgehend abgeschlossenen Entschädigung von NS-Opfern in Europa fordern CSU und Vertriebene nun auch eine Wiedergutmachung für deutsche Zwangsarbeiter - und bringen damit die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Druck. „Wir zahlen in Europa für alle, dann können wir auch für deutsche Zwangsarbeiter zahlen“, sagte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) beim Sudetendeutschen Pfingsttreffen in Nürnberg.
Der Forderung schlossen sich am Pfingstsonntag auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann und seine Kabinettskollegin Christine Haderthauer (beide CSU) an. Die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, gab sich nach dem CSU-Vorstoß in der Entschädigungsfrage zuversichtlich, dass es nun zu einer Lösung kommt: „Ich bin entschlossen, in der Frage nicht nachzugeben. Das ist eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit“, sagte die CDU-Politikerin der Nachrichtenagentur dpa.
Seehofer will den schon seit knapp zehn Jahren diskutierten Punkt schon beim nächsten Spitzentreffen der Parteivorsitzenden in Berlin zu Sprache bringen. Dabei wolle er auch den nationalen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung zum Thema machen, kündigte der CSU-Vorsitzende vor mehreren tausend Heimatvertriebenen in Nürnberg und Dinkelsbühl an. „Ich werde beide Themen mit bayerischem Nachdruck in das Koalitionsgespräch einbringen“, unterstrich Seehofer.
Nach Einschätzung von Vertriebenen-Chefin Steinbach würden sich die Kosten für die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter auf 200 Millionen Euro belaufen. Gedacht sei an einen Einmalbetrag von 5000 Euro für jeden Betroffenen. „Ein solcher Betrag muss adäquat zu dem sein, was allen anderen Zwangsarbeitern gezahlt wird“, sagte sie der dpa. Nach ihrer Schätzung leben in Deutschland noch rund 40 000 Deutsche, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Straflagern in Polen, Russland, der Tschechoslowakei und Rumänien zu Strafarbeit verpflichtet waren.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte die Forderung der Vertriebenen noch im vergangenen Sommer abgelehnt. Nach einem Medienbericht war er der Meinung, deutsche Zwangsarbeit im Ausland nach dem Zweiten Weltkrieg gelte als Massenschicksal, das nicht entschädigt werden könne. Als Oppositionsparteien hatten Union und FDP allerdings noch im Jahr 2004 eine Entschädigung verlangt.
Das diesjährige Pfingsttreffen der Sudetendeutschen war von einer spürbaren Annäherung zwischen Vertriebenen und der tschechischen Regierung geprägt. Für Unmut sorgt allerdings weiterhin die Weigerung Prags, offiziell Gespräche mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft zu führen. Der Vorsitzende der Landsmannschaft, Franz Pany, sprach von einer unverändert „starre Haltung“ Prags; kurzfristig rechne er nicht mit spektakulären Erfolgen.
Seehofer ermahnte die Regierung in Prag erneut zur offensiven Auseinandersetzung mit dem Thema „Flucht und Vertreibung“; er vermied aber ebenso wie die Vertriebenenfunktionäre den Hinweis auf die sogenannten Benes-Dekrete, die die Voraussetzung für die Ausweisung der deutschen Minderheit aus der Tschechoslowakei schufen. Stattdessen sprach der CSU-Chef lediglich von „Klippen“, die es im deutsch-tschechischen Verhältnis zu meistern gelte. Zugleich lud er den tschechischen Ministerpräsidenten Petr Necas zu einem Gegenbesuch noch in diesem Jahr nach München ein.
Der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg sieht in seinem Land durchaus Fortschritte bei der Aufarbeitung der Vertreibung von Deutschen. In den letzten Jahren sei „sehr viel passiert“, sagte der konservative Politiker in Prag. Die Vertreibung werde in vielen Büchern und Filmen thematisiert. Zurückhaltend reagierte Schwarzenberg auf Hoffnungen der Sudetendeutschen nach einem „großen Schritt“ im Verständigungsprozess. „Mir ist nicht klar, was da erwartet wird“, sagte Schwarzenberg.
Als Zeichen dafür, dass sich Sudetendeutsche auch umfassend mit den Gräueltaten Deutscher während der NS-Zeit auseinandersetzen, zeichneten die Sudetendeutschen den Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer mit dem Europäischen Karlspreis aus. Als Opfer der nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen besitze Mannheimer bis heute Mut und Kraft, als Zeitzeuge durch Vorträge gegen Rechtsextremismus und Fremdenhass zu kämpfen, heißt es in der Laudatio. Mannheimer erklärte, die Morde der Zwickauer Terrorzelle an Ausländern hätten bei ihm Erinnerungen an den Terror während der Nazizeit geweckt.