Nach Wahlpleite CSU-Machtkampf vertagt - Seehofer kann Revolte stoppen
München (dpa) - Nach der schweren Wahlschlappe hat die CSU den Machtkampf um die politische Zukunft von Parteichef Horst Seehofer erst einmal vertagt.
„Ich bin auch froh, dass man, was den Parteivorsitz angeht, Einverständnis geäußert hat, dass diese Frage auf dem Parteitag entschieden wird, wo ohnehin Neuwahlen anstehen“, sagte Seehofer nach der Sitzung der CSU-Landtagsfraktion in München. Es sei wichtig, dass die Verhandlungen in Berlin mit den potenziellen Koalitionspartnern als auch mit der CDU nun nicht weiter belastet würden. „Ich finde, wir hatten jetzt eine sehr vernünftige Diskussion. Sehr ehrlich. Sehr offen. Und ich bin damit sehr zufrieden.“ Der Parteitag ist für November geplant.
Die CSU war bei der Bundestagswahl um 10,5 Punkte auf 38,8 Prozent abgestürzt. Aus der Fraktion, aber auch von mehreren Kreis- und Ortsverbänden waren daraufhin Forderungen nach einem Rücktritt Seehofers laut geworden, was dieser ablehnt. Er forderte, die Personaldebatte bis zum Parteitag im November zunächst ruhen zu lassen - auf diesen Weg konnten sich am Ende alle Mitglieder der 101-köpfigen Fraktion einigen. Bis zu dem Parteitag, zu dem auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeladen werden soll, will Seehofer auch die Kursbestimmung mit der CDU abgeschlossen haben.
Gleich zu Beginn einer nicht öffentlichen Fraktionssitzung war Seehofer zum Gegenangriff übergegangen und hatte nach Angaben von Teilnehmern diejenigen Abgeordneten und Regierungsmitglieder massiv attackiert, die die Personaldebatte ins Rollen gebracht hatten. Die CSU setze sich damit der Lächerlichkeit aus, sagte der Ministerpräsident. So könne es nicht weitergehen - die Personaldebatte gehöre auf den Parteitag. Die CSU befinde sich am Scheideweg - nämlich ob sie regierungsfähig bleibe.
Seehofer erhielt den Angaben zufolge langen und starken Applaus. Bereits vor Beginn des Treffens hatte er seine Kritiker in der CSU getadelt: „Der Schaden ist schon entstanden, der ist nicht mehr auszuradieren.“ Fraktionschef Thomas Kreuzer mahnte, es gehe nun darum, alle Kraft auf die Verhandlungen in Berlin zu konzentrieren.
Nach einer langen Rede Seehofers ergriffen in der Sitzung zunächst seine Unterstützer das Wort: „Viele Bürger haben uns gesagt, (Kanzlerin Angela) Merkel muss weg, aber niemand, Seehofer muss weg“, sagte etwa CSU-Vorstandsmitglied Alfred Sauter. Es sei „schizophren zu sagen, Seehofer soll die Drecksarbeit in Berlin machen und kann dann gehen“. Damit lehnte er Forderungen ab, Seehofer solle auf eine Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2018 verzichten, wohl aber die Berliner Koalitionsverhandlungen führen.
Rückendeckung erhielt Seehofer auch von seinen Ministern - darunter sogar von Finanzminister Markus Söder, den viele in der Partei für den heimlichen Initiator der Revolte halten: „Ich war schon vor der Wahl gegen Personaldebatten. Wir schaffen es nur gemeinsam, nicht einsam“, sagte Söder nach Teilnehmerangaben in der Sitzung.
„Ich glaube, dass heute hier alle verstanden haben: Wer erfolgreich jetzt in Berlin den Wählerauftrag für die CSU und für Bayern umsetzen will, der muss als allererstes dafür sorgen, dass diejenigen, die verhandeln, auch möglichst stark verhandeln können“, sagte der neue Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, der zur Unterstützung Seehofers angereist war. Auch Wirtschaftsministerin Ilse Aigner zeigte sich nach der Sitzung erleichtert.
Doch Seehofer musste sich auch Kritik anhören: Die CSU schlittere sehenden Auges in eine weitere Niederlage, sollte es keine personelle Neuaufstellung geben, sagte Kultusstaatssekretär Georg Eisenreich. Er war damit nach Finanzstaatssekretär Albert Füracker das zweite Mitglied der bayerischen Landesregierung, das Seehofer offen kritisierte. Die Abgeordneten Petra Guttenberger und Alexander König wiederholten ebenfalls ihre Forderungen nach einer Ablösung Seehofers durch Söder. Am Ende waren aber alle mit dem weiteren Vorgehen einverstanden. „Ich denke, dass diese Zeitachsen auch gut sind“, sagte Söder.
Der ehemalige CSU-Chef Erwin Huber forderte eine Debatte ohne Rede- und Denkverbote. Im ZDF-Morgenmagazin empfahl er Seehofer eine Dialogreihe in den CSU-Bezirksverbänden: „Man sollte die Parteibasis zu Wort kommen lassen.“ Seehofer zeigte sich offen für den Vorschlag, offen ist aber, ob die Gespräche noch vor dem Parteitag möglich sind.
Trotz der Wahlpleite hält der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber die Verteidigung der absoluten Mehrheit 2018 weiterhin für möglich. Das sei „natürlich machbar“, sagte der frühere Ministerpräsident der Deutschen Presse-Agentur in München. „Da geht es ja dann um Bayern: bayerische Themen, die bayerische Entwicklung. Und wir sind ja bundesweit Tabellenführer in vielen Bereichen.“ Zur Zukunft von Seehofer betonte er: „Er weiß, dass die Partei die Durchsetzung einer Obergrenze erwartet.“
Die CSU hat ihre Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge bislang nicht gegenüber der CDU durchsetzen können. Die Asylpolitik ist nach Ansicht Stoibers Hauptgrund für die CSU-Pleite: „Viele Wähler, die uns jahrzehntelang treu waren, haben diesmal nicht mehr CSU gewählt, weil sie mit der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel nicht einverstanden sind. Das war eben das alles überragende Thema.“