Vor der Thüringen-Wahl Das sind die Spitzenkandidaten der großen Parteien in Thüringen

Erfurt · Wer sind die Kandidaten, die zumindest nach Umfragen theoretisch die Chance auf das Ministerpräsidentenamt in Erfurt haben?

Die Thüringer Spitzenkandidaten Anja Siegesmund (2.v.l-r, Grüne), Bodo Ramelow (Die Linke), Wolfgang Tiefensee (SPD), Mike Mohring (CDU), Thomas Kemmerich (FDP) und Björn Höcke (AfD), bei der Wahl-Arena.

Foto: dpa/Martin Schutt

Fünf Jahre lang haben Linke, SPD und Grüne in Thüringen gemeinsam regiert. An diesem Sonntag ist die Landtagswahl, und mehr als 1,7 Millionen Thüringer können entscheiden, wer künftig die Regierung bildet. Wer sind die Kandidaten, die zumindest nach Umfragen theoretisch die Chance auf das Ministerpräsidentenamt in Erfurt haben?

Der Amtsinhaber

Am 5. Dezember 2014 sprach Bodo Ramelow im Landtag in Erfurt seinen Amtseid. Seitdem ist er ein politisches Unikat: Der heute 63-Jährige ist der einzige Ministerpräsident, den die Linke in Deutschland stellt. Der gebürtige Niedersachse, der nach dem Mauerfall als Gewerkschaftsfunktionär nach Thüringen kam, passt nur bedingt ins gängige Linke-Klischee: Ramelow ist bekennender Christ, bekennender Legastheniker, neuerdings auch bekennender Dieselfahrer und er will kein Parteisoldat sein. Bei Betriebsbesuchen redet er die Belegschaften als „liebe Kolleginnen und Kollegen“ an - er hat aber auch kein Problem, als Gastgeber königlicher Hoheiten aufzutreten, so beim Thüringen-Besuch des belgischen Königspaars im Sommer.

Was er gerade denkt, tut oder worüber er sich ärgert, lässt Ramelow per Kurznachrichtendienst Twitter wissen. Im Landtag, im Auto, im Stehen, das Handy scheint sein wichtigstes Werkzeug - auch in der Auseinandersetzung mit seinen politischen Kontrahenten. Und da kann es schon mal grob zugehen mit Sätzen, in denen die Wörter „kotzt mich an“ vorkommen.

Geboren wurde Ramelow im niedersächsischen Osterholz-Scharmbeck. In Hessen absolvierte er eine Ausbildung zum Kaufmann. Mit 25 Jahren wurde er Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen. Von dort ging er 1990 nach Thüringen und stieg zum Landeschef der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) auf. 1999 begann seine politische Karriere: Ramelow zog für die PDS in den Thüringer Landtag ein - zwei Jahre später war er ihr Fraktionschef. Nach einem Zwischenspiel im Bundestag und als Fusionsbeauftragter der Linken mit der WASG profilierte er sich als Oppositionsführer im Landtag. Ministerpräsident ist nach eigenem Bekunden sein Traumjob.

Der Herausforderer

Für Mike Mohring, 47 Jahre alt und in Apolda geboren, ist es eine Premiere: Der Thüringer, der seit Schülertagen politisch aktiv ist, tritt erstmals als Spitzenkandidat der CDU an. „Ich will Ministerpräsident werden“, sagt er selbstbewusst. Mohring will es sein, der die CDU, die von 1990 bis 2014 die Regierungschefs stellte, zurück in die Staatskanzlei bringt und „Rot-Rot-Grün in Thüringen zu einem Wimpernschlag der Geschichte macht“. Politisch sieht sich Mohring, der seit 2008 CDU-Fraktionschef im Landtag ist, in der Mitte. Er ist jemand, der politisch austeilen kann - zeitweise attackierte er Kanzlerin Angela Merkel, früher gern die Thüringer SPD. Die Sozialdemokraten fühlten sich so verletzt, dass sie auch wegen Mohring 2014 keine Neuauflage von Schwarz-Rot mehr wollten.

Ende 2018 erkrankt Mohring an Krebs, im Januar machte er seine Krankheit und die Chemotherapie mit einem selbst aufgenommenen Video in den sozialen Netzwerken öffentlich. Inzwischen gilt er als geheilt. Nur acht Wochen nach Behandlungsende wählte die CDU ihren Parteichef zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Die Krankheit habe ihn verändert, sagt Mohring. „Ich sehe die Dinge reflektierter, gelassener. Ich versuche, mich stärker in andere hineinzuversetzen. Andere könnten auch recht haben.“

Mohring wurde in den Wendewirren als Gymnasiast politisch. Bis 1993 engagierte er sich für die Bürgerrechtsbewegung Neues Forum, dann trat er in die CDU ein. 1999 saß er bereits im Landtag, wo er sich vor allem als Finanzpolitiker profilierte.

Der Rechtsaußen

Im Wahlkampf wirbt AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke mit dem Spruch „Vollende die Wende“, dabei ist der 47-Jährige selbst ein Westdeutscher. Geboren wurde Höcke im nordrhein-westfälischen Lünen, zur Schule ging er im Westerwald in Rheinland-Pfalz. Der Rechtsaußen gilt als Gründer des völkisch-nationalen „Flügels“, der vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ im Bereich Rechtsextremismus eingestuft wurde.

Höcke ist Gymnasiallehrer für Geschichte und Sport. Er unterrichtete an einer Schule in Hessen, bevor er im Jahr 2014 Abgeordneter und Fraktionschef im Thüringer Parlament wurde. Höcke ist verheiratet und lebt mit seiner Familie im Eichsfeld im Nordwesten Thüringens.

Mit seinen Äußerungen machte der vierfache Vater in den vergangenen Jahren immer wieder Schlagzeilen. Etwa als er in Dresden Anfang 2017 unter anderem mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin sagte: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Die Empörung war riesig, teils auch in seiner Partei.

Ein Ausschlussverfahren bestand er aber unbeschadet. Vielmehr brachte er seinen Thüringer AfD-Landesverband auf „Flügel“-Linie und weitete den Einfluss der Gruppierung aus - vor allem in den ostdeutschen Ländern, wo die AfD zuletzt große Wahlerfolge feierte. Manche Beobachter halten Höckes Wirkmacht in der AfD aber auch für überschätzt. Von Anhängern wird er auf Veranstaltungen teils mit „Höcke“-Rufen empfangen. In Umfragen lagen seine Beliebtheitswerte in Thüringen allerdings deutlich unter jenen seiner Partei.

(dpa)