Debatte über Waffen am Weltfriedenstag
Der Bundestag spricht sich für Waffenlieferungen in den Irak aus — auch wenn sich einige Abgeordnete schwer tun.
Düsseldorf. Vor dem Berliner Reichstag hat sich ein Häufchen Demonstranten versammelt. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi ist darunter, und der Vorsitzende der stärksten Oppositionspartei, Bernd Riexinger. „Keine Waffen in den Nahen Osten“, steht auf den Plakaten. „Auf die Linke ist Verlass. Wir stehen für ein klares Nein“, ruft Riexinger den Leuten zu.
So einfach kann die Welt sein. Doch für die allermeisten Abgeordneten, die kurz darauf zu einer Sondersitzung des Bundestages zusammenkommen, gilt das nicht. Union und SPD haben einen Antrag verfasst, der den Abwägungsprozess der Regierung, die Kurden im Kampf gegen die islamischen IS-Terroristen mit panzerbrechenden Waffen und anderem Kriegsgerät zu unterstützen, auf drei Seiten nachzeichnet und am Ende mit übergroßer parlamentarischer Mehrheit befürwortet wird.
Die Grünen wiederum haben ein eigenes Papier verfasst, in dem sie Waffenlieferungen zwar nicht grundsätzlich verwerfen, im konkreten Fall aber schon. Sieben grüne Parlamentarier wollen diese Sichtweise aber nicht mittragen und versagen dem Antrag bei der internen Abstimmung die Unterstützung.
Wäre es nach Angela Merkel und ihren wichtigsten Ministern gegangen, die Abgeordneten hätten deshalb nicht die Sommerpause unterbrechen müssen. Formal betrachtet ist die Entscheidung über Waffenlieferung ausschließlich Sache der Exekutive. Und der reguläre Parlamentsbetrieb beginnt ohnehin erst am kommenden Montag. Doch das Bedürfnis, sich auszutauschen und die Regierungslinie zu hinterfragen, ist auch im eigenen Lager groß. Besonders bei den Abgeordneten der SPD, die noch gut im Ohr haben, dass sich Parteichef Sigmar Gabriel für eine Eindämmung deutscher Waffenexporte stark macht.
Überaus konzentriert und fast ohne die sonst übliche Krawall-Rhetorik wird im Plenum dann fast drei Stunden lang über Chancen und Gefahren der Regierungsentscheidung debattiert. Richtig Unruhe kommt nur kurzzeitig auf, als eine kleine Zuschauergruppe lautstark den Beitrag eines Redners stört.
In einer Regierungsklärung erinnert Kanzlerin Merkel daran, dass unter den IS-Terroristen nach Erkenntnissen der Geheimdienste auch etwa 400 Deutsche sind. Damit, so Merkel, seien auch die „eigenen Sicherheitsinteressen“ bedroht. Der IS habe „unfassbare Gräueltaten“ begangen. So habe man vor der Wahl gestanden, „kein Risiko einzugehen“ und eine Ausweitung des Terrors hinzunehmen, oder jene zu unterstützen, die gegen diesen Terror kämpften. „Das, was ist, wiegt in diesem Fall schwerer, als das, was sein könnte“, sagt Merkel.
Die Waffenlieferungen, auf die sich die Kanzlerin am Sonntagabend mit ihren wichtigsten Kabinettskollegen sowie CSU-Chef Horst Seehofer verständigte, umfassen unter anderem 30 Milan-Panzerabwehrsysteme mit 500 Raketen, 10 000 Handgranaten sowie 16 000 ältere Sturmgewehre und Pistolen aus Bundeswehrbeständen.
Die Befürchtung, dass diese Waffen in die falschen Hände geraten könnten, wird nicht nur von Gregor Gysi thematisiert. Auch Vertreter der SPD sprechen von einem „Dilemma“. Bei den Grünen klingt es ähnlich: „Niemand kann kontrollieren, wo diese Waffen am Ende landen, oder zu welchem Zweck sie eingesetzt werden“, meint Fraktionschef Anton Hofreiter.
Beide Oppositionsvertreter beklagen, dass es für die Waffenlieferungen kein UN-Mandat gäbe. Gysi geht allerdings noch darüber hinaus und unterstellt der Regierung, nichts aus den vielen Konflikten der Gegenwart gelernt zu haben. „Wenn man der drittgrößte Waffenexporteur der Welt ist, dann verdient man an jedem Krieg. Genau das steht uns nicht zu“, kritisiert der Linken-Fraktionschef.
Dass die Waffenlieferungen im konkreten Fall kein „Geschäft“ sind, sondern eine unentgeltliche Weitergabe, verschweigt er geflissentlich. Überhaupt, so Gysi, sei es „mehr als stillos“, genau an dem Tag darüber zu debattieren, an dem Deutschland vor 75 Jahren Polen überfiel und damit den zweiten Weltkrieg vom Zaun gebrochen habe.
Volker Kauder, Chef der Unionsfraktion, fährt Gysi allerdings kräftig in die Parade: „Zu Recht“ werde diese Debatte am 1. September geführt. Schließlich wolle man einen Beitrag leisten, dass im Norden Iraks „Frieden entsteht“.