Der Agrarminister im Problemstau
Milchkrise und Glyphosat: Christian Schmidt muss an vielen Fronten kämpfen
Berlin. Nach wie vor gilt, was Christian Schmidt vor einiger Zeit mal über sich selbst gesagt hat: "Ich kann nur Pragmatismus." So führt er auch sein Amt. Ein mitreißender Redner wird der CSU-Mann nicht mehr werden, und jede Akte findet in ihm einen wohlwollenden Abnehmer. Jetzt steckt der Landwirtschaftsminister wegen des Streits um die Neuzulassung des Pflanzengifts Glyphosat und der Milchkrise bis über beide Ohren im Problemstau. Ruhe bewahren ist nicht mehr.
Lange hat der Mann aus Franken mit seinem Amt gefremdelt, das er einst von seinem Parteifreund Hans-Peter Friedrich übernahm. Friedrich musste im Zuge der Kinderporno-Affäre des SPD-Politikers Sebastian Edathy im Frühjahr 2014 gehen. Angekommen im Ministerium war förmlich zu spüren, wie sehr Schmidt sich nach seinem Stuhl im Verteidigungsministerium sehnte, wo er lange Zeit als Staatssekretär tätig gewesen war. Das war auch die Phase der wenig schmeichelhaften Gerüchte - er organisiere sein neues und ungewohntes Ressort nach Befehl und Gehorsam, hieß es, sein Fahrer müsse ihm sogar stets die Tür aufhalten. Was folgte, war eine schwerwiegende Serie von Pleiten und Pannen: "One apple a day keeps Putin away", kommentierte er das Agrarembargo gegen Russlands Präsident Wladimir Putin. Und in der "Heute Show" ließ sich Schmidt zum sprichwörtlichen Affen machen.
Solche Fehltritte gehören der Vergangenheit an. Den meisten Deutschen ist er zwar immer noch unbekannt, aber der 58-Jährige hat sich eingearbeitet. Inzwischen macht ihm sein Job sogar Spaß. Stets freundlich im Umgang, hölzern, aber unaufgeregt bei seinen Auftritten, so ist Schmidt. Hilfreich kann das insofern sein, als dass ein Minister für Ernährung- und Landwirtschaft durch Selbstdarstellung nicht besonders viel erreicht. Es ist vermintes Feld, auf dem der Bajuware unterwegs ist. Gelassenheit ist Pflicht, weil alle gegen einen sind. Bauern, Umwelt- und Verbraucherverbände, Konsumenten, Grüne und nochmals Grüne. Sie werfen Schmidt vor, auf ganzer Linie zu versagen: "Viele Betriebe wissen nicht mehr ein noch aus und leben nur noch von der Substanz", so der agrarpolitische Sprecher der Grünen, Friedrich Ostendorff. Das sei das Gegenteil einer soliden und nachhaltigen Agrarpolitik. Schmidt hingegen setzt auf Interessenausgleich. Alle sollen von der Landwirtschaft profitieren, er will Regionalisierung und Spezialisierung. In Zeiten der Agrarfabriken ein schöner Wunsch.
Jetzt türmen sich die Probleme auf: Der Streit um den weiteren Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat ist zum handfesten Koalitionskrach geworden, und die Krise der Milchwirtschaft setzt Schmidt massiv zu. Es ist ein Mehrfrontenkampf. Bei Schmidt kommt hinzu, dass er stellvertretender CSU-Chef ist. Aus München war in der Vergangenheit häufiger zu hören, die Performance der drei CSU-Minister im Kabinett Merkel - Schmidt, Entwicklungsminister Gerd Müller und Verkehrsminister Alexander Dobrindt - sei mehr als verbesserungsbedürftig. Eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl muss Schmidt also jetzt damit beginnen, Zähne zu zeigen. Die gemütlichen Zeiten scheinen für ihn vorbei zu sein.