Crystal-Meth-Vorwürfe Der Fall Beck und die grüne Drogenpolitik

Seit Jahren fordern die Grünen eine Entkriminalisierung von Cannabis. Dass mit Volker Beck einer ihrer Bundestags-Abgeordneten mit Drogen erwischt wurde, hat damit nichts zu tun. Wie wirkt der Fall auf den aktuellen Wahlkampf?

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Berlin (dpa) - Winfried Kretschmann kennt den Mix zwischen Adrenalin und Müdigkeit. Nach einem Wahlkampftag sei man zugleich k.o. und aufgemöbelt, erzählte der Grünen-Ministerpräsident kürzlich. „Das Schlafen ist da ein Problem, und da hilft einfach Hopfen und Baldrian.“ Nun muss Kretschmann fürchten, dass andere Substanzen bei einem Parteifreund seinen Wahlkampf stören. Der Fall Volker Beck, bei dem Crystal Meth gefunden sein soll, hat manche aufgeschreckt. Haben die Grünen ein Drogenproblem?

Der bodenständige baden-württembergische Ministerpräsident und der Parteilinke Beck repräsentieren zwei Flügel bei den Grünen, auch ihr Image ist höchst unterschiedlich. Während Kretschmann sich eher mal beim Wandern fotografieren lässt, kennt man Beck auch von Auftritten beim Christopher Street Day oder bei Demos für die Rechte von Homosexuellen in Moskau.

Ob der Fall des gebürtigen Stuttgarters viele Wähler im Südwesten wirklich beeindruckt, ist fraglich. Kaum anzunehmen, dass konservative Wähler in Scharen Kretschmann davonlaufen, nur weil sich in Berlin ein Abgeordneter mit Drogen aufputscht und erwischt wird. Kretschmann sagt: „Ich kann nur hoffen, dass jetzt solch ein einzelnes Fehlverhalten nicht auf alle übertragen wird.“

Immer wieder gab es Geschichten rund um die Grünen und Drogen - allerdings ging es dabei um Cannabis und nicht härtere Drogen. Mit ihrer langjährigen Forderung nach einer Legalisierung von Cannabis stehen sie bei weitem nicht allein.

So regte sich auch kaum jemand ernsthaft auf, als 2014 ein Video von Parteichef Cem Özdemir auf dessen Balkon kursierte - auf dem auch eine Hanfpflanze wuchs. Özdemir selbst deutete es danach als „sanftes, politisches Statement“. Bereits Jahre vorher hatte es ein Song mit der Zeile „Gebt das Hanf frei“ des Grünen-Politikers Hans-Christian Ströbele zu einiger Bekanntheit gebracht.

Vergangenes Jahr tat sich der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Dieter Janecek, sogar mit einem gemeinsamen Vorstoß mit seinem Unionskollegen Joachim Pfeiffer hervor - ihre Forderung: die Schaffung eines legalen und staatlich regulierten Marktes für Cannabis als Genussmittel. Bei der CDU/CSU allerdings blieb das eine Minderheitsmeinung. Die Grünen sagen aber auch klar: Sollte es sich bei der bei Beck gefundenen Droge um Crystal Meth handeln, sei das eine ganz andere Kategorie. Das ist ein verbotene Substanz.

Ein spezielles Drogenproblem haben die Grünen nicht - die Causa Beck ist ein Einzelfall und steht für individuelles Fehlverhalten. Crystal Meth ist für Experten auch eher ein Phänomen für Hochbelastete und Menschen in Stressjobs, zu denen neben der Wirtschaft auch die Politik zählt. Es ist auch nicht der erste Fall im Bundestag. Die Aufputschdroge - auf dem Vormarsch etwa in Bayern, Sachsen, in Thüringen, Brandenburg oder auch Berlin - steht für gesteigerte Leistungsfähigkeit, intensive Erregungszustände und für schnelle Abhängigkeit. Auch Schüler, Sportler, Alleinerziehende oder sogar werdende Mütter sollen danach greifen.

Bei der politischen Konkurrenz herrscht eher Zurückhaltung. Ein kleines Scharmützel auf Twitter blieb die Ausnahme. Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sprach von Respekt für Beck „für die schnelle und klare Reaktion“ - die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach, antwortete mit drei roten Fragezeichen. Die Häme rührt wohl auch daher, dass Beck, der für eine offene Gesellschaft eintritt, mitunter auch als Moralapostel rüberkommt.

Müssen Politiker selbst moralische Vorbilder sein? Der Bundestag mit seinen 630 Abgeordneten soll möglichst auch die Vielfalt der Gesellschaft abbilden. Doch gelten für Politiker oft andere Maßstäbe. Schnell wird Fehlverhalten skandalisiert. Wenn ein Spitzen-Grüner mit 180 Sachen in eine Radarfalle rast, ist das ein Thema. Auch, weil ja gerade die Grünen für Tempolimits eintreten.

In einem Interview im Jahr 2013 meinte Kretschmann einmal, er halte nichts vom Herummoralisieren in der Politik. „Mein Eindruck ist: Die Menschen wollen Heilige, deshalb werden sie enttäuscht. In der Demokratie können die Gewählten aber nicht besser sein als die, die sie wählen.“ Er wehre sich jedenfalls „entschieden“ dagegen, dass Politiker Vorbilder sein müssten. Gleichwohl wirft Kretschmann seinem Parteifreund Beck heute „schweres Fehlverhalten“ vor. Denn es geht auch darum, dass Politiker eben nicht über dem Gesetz stehen.