Der Milliarden-Rechenfehler

Bei der „Bad Bank“ der HRE tauchen plötzlich 55,5 Milliarden Euro auf. Die Opposition fordert Aufklärung.

Berlin. Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos hätte sicher gerne die Probleme seines deutschen Amtskollegen. Mit 55,5 Milliarden Euro könnte er die Staatsschuld Athens in Verbindung mit dem gerade vereinbarten Schuldenschnitt derart senken, dass eine Pleite erst einmal nicht zur Debatte stünde.

Genau diese Summe ist aus den schwer durchschaubaren Bilanzen der staatseigenen Bad Bank der Hypo Real Estate (HRE) aufgetaucht. „Der Korrekturbedarf in Höhe von 55,5 Milliarden Euro ergab sich vollständig aufgrund von Buchungsfehlern“, betont das Haus von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). In die Bad Bank mit Namen FMS Wertmanagement hatte die im Zuge der Finanzkrise in Schieflage geratene HRE Giftpapiere im Wert von 175 Milliarden Euro ausgelagert.

Es geht vor allem darum, dass erhaltene Sicherheitsleistungen für Forderungen der Bad Bank vom Computersystem aufaddiert worden sind, statt sie bei den eigenen Verbindlichkeiten abzuziehen. Zudem wurden scheinbar Kursgewinne bei Papieren als Verlust verbucht. Einfach gesagt: Der Computer hat Plus und Minus verwechselt. 2010 summierten sich die Fehler auf 24,5 Milliarden Euro, 2011 auf 31 Milliarden. Die Frage stellt sich, warum so massive Bilanzfehler erst jetzt aufgefallen sind. Anfang Oktober wurde die Regierung informiert.

Für Schäuble und den deutschen Staat ist das Ganze zunächst einmal erfreulich. Statt der nach Brüssel gemeldeten Staatsverschuldung von 83,7 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung beträgt sie nun nur noch 81,1 Prozent. Ungeachtet der noch zu klärenden Ursachen für diese Korrektur begrüße die Bundesregierung grundsätzlich jede Reduzierung des Schuldenstandes, betont Schäubles Haus.

Doch der Glücksfall ist höchst peinlich. Schäuble hat führende Bankvorstände zum Rapport bestellt — es dürfte sich um einen der größten Buchungsfehler der Geschichte handeln. Der CSU-Finanzexperte Hans Michelbach kündigt ein Nachspiel an. „Ich erwarte von der Führung eine lückenlose Aufklärung dieses unfassbaren Fehlers.“ Notfalls müssten personelle Konsequenzen bei der Bank gezogen werden.

Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, sagt, es sei schon bemerkenswert, das hoch qualifizierte Bilanzbuchhalter so den Überblick verlieren: „Wir brauchen einen Finanzmarkt mit kleineren Instituten und transparenteren Strukturen, in denen Vorstände wieder einen Überblick haben über das, was sie in ihren Büchern haben.“

Der Bürger dürfte von dem Geldsegen wenig zu spüren bekommen. Auch die geplante Neuverschuldung für dieses Jahr von 30 Milliarden Euro kann damit nicht getilgt werden. Denn das Geld für die staatseigene Bank wird über einen Sonderhaushalt verwaltet. Das Ganze hat nur Einfluss auf die Staatsschulden, nicht aber auf den Bundeshaushalt.

Die Opposition schäumt. Schäuble sei verantwortlich dafür, dass die Bank ordnungsgemäß geführt wird, sagt SPD-Politiker Thomas Oppermann. „Der unbefangene Beobachter gewinnt den Eindruck, dass das Finanzministerium angesichts neuer Rettungspläne die Übersicht verloren hat.“