Deutschland drängt EU zur Verlängerung der Grenzkontrollen
Berlin (dpa) - Mit fünf anderen EU-Staaten drängt Deutschland die Brüsseler Kommission, Grenzkontrollen ab Mitte Mai für weitere sechs Monate zuzulassen - trotz deutlich gesunkener Flüchtlingszahlen.
Für Bundesinnenminister Thomas de Maizière wäre das ein „klares Zeichen europäischer Handlungsfähigkeit“.
Der CDU-Politiker sagte am Samstag in Berlin, in dem gemeinsamen Brief gehe es darum, „dass die Kommission dem Rat einen Vorschlag zur Aktivierung des Krisenmechanismus des Schengener Grenzkodexes vorlegt“.
De Maizière sprach von einer weiterhin schwierigen Situation: „Auch wenn sich die Flüchtlingssituation an den Binnengrenzen entlang der Westbalkanroute derzeit entspannt hat, blicken wir mit Sorge auf die Entwicklungen an den Außengrenzen der Union.“ Die Mitgliedstaaten müssten „weiterhin die Möglichkeit haben, Grenzkontrollen an ihren Binnengrenzen lageabhängig und flexibel dort anwenden zu können, wo es erforderlich ist“.
Noch Anfang April hatte Innenminister de Maizière eine Aufhebung der Grenzkontrollen angesichts der entspannteren Lage ins Gespräch gebracht. „Wenn die Zahlen so niedrig bleiben, würden wir über den 12. Mai hinaus keine Verlängerung der Grenzkontrollen durchführen.“ Damit löste er heftigen Protest im CSU-regierten Bayern aus.
Am Samstag hatten zunächst Berliner Regierungskreise einen „Welt“-Bericht über den Vorstoß der EU-Länder im Kern bestätigt. Die Abstimmung des Schreibens werde voraussichtlich am Montagvormittag abgeschlossen sein. Zu den Initiativ-Ländern gehören neben Deutschland noch Frankreich, Österreich, Belgien, Dänemark und Schweden. Die Kommission wolle Mittwoch ihre Entscheidung bekanntgeben, hieß es am Samstag auf dpa-Anfrage in Brüssel. Wegen des weiterhin zu erwartenden Flüchtlingszustroms werde grünes Licht für eine Verlängerung der Grenzkontrollen über den 12. Mai hinaus erwartet, schrieb die Zeitung unter Berufung auf hohe EU-Diplomaten.
Der Schutz der EU-Außengrenzen in der Flüchtlingskrise darf nach Worten von Kanzlerin Angela Merkel aber nicht auf Kosten der Freiheiten im Schengen-Raum gehen. Deswegen sei die EU in einer „ganz entscheidenden Phase“, sagte die CDU-Vorsitzende am Samstag in ihrer Video-Botschaft in Berlin. Sie habe sich entschieden, „dafür zu kämpfen, dass wir unsere Außengrenzen schützen können, dass wir den Raum der Reisefreiheit, der Bewegungsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit behalten“. Wichtig sei eine „Teilung der humanitären Verpflichtungen“.
Auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, forderte die 28 Mitgliedsstaaten auf, keine neuen Grenzen hochzuziehen. Er sagte dem Deutschlandfunk: „Und ich finde, dass wir das auch von Österreich verlangen können.“ Er bezog sich auf die umstrittene Grenzsicherung an der österreichisch-italienischen Grenze am Brenner.
Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), lobte „nachdrücklich“ den Versuch de Maizières, „gemeinsam mit den Innenministern anderer EU-Länder, die derzeit Binnengrenzkontrollen durchführen, bei der EU-Kommission eine Verlängerung der Grenzkontrollen bis Ende des Jahres 2016 zu erreichen“. Solange man - gerade angesichts der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus - nicht lückenlos wisse, wer in die EU ein- und ausreist, seien Grenzkontrollen „unverzichtbar“.
Die CSU in München verlangt, die Kontrollen an der Grenze zu Österreich in Zusammenarbeit mit der bayerischen Polizei auszubauen und vorerst bis Ende des Jahres weiterzuführen. Die Partei möchte erreichen, dass mehr Grenzübergänge mit mehr Personal gründlicher überwacht werden als bisher. Mit dieser Linie will CSU-Chef Horst Seehofer in ein für nächstes Wochenende geplantes Unions-Spitzentreffen mit Merkel gehen.
Auf eine Verfassungsklage gegen die Bundesregierung - an der die CSU beteiligt ist - würde die Landesregierung dann vorerst verzichten, ohne diese Option dauerhaft aufzugeben. Sollte es erneut zu einem sprunghaften Anstieg der Flüchtlingszahlen kommen, will die CSU-Spitze wieder über eine Klage nachdenken. Die Bundesregierung solle in Brüssel mehrere Punkte durchsetzen: eine effektive Sicherung der EU-Außengrenzen, ein zentrales Ein- und Ausreiseregister für die gesamte EU und ein zentrales europäisches Flüchtlingsregister.