Deutschland umwirbt Fachkräfte aus Südeuropa

Bonn (dpa) - Im Kampf gegen den Fachkräftemangel will Deutschland jetzt gezielt hoch qualifizierte Arbeitslose im krisengeschüttelten Südeuropa anwerben. Eine entsprechende Offensive der Bundesagentur für Arbeit stößt jedoch im In- und Ausland auf Probleme.

Die Sprachbarriere schreckt viele Interessenten in Ländern wie Spanien und Portugal ab, in Deutschland selbst wird die Initiative kritisch gesehen. Nach Angaben der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden junge Fachkräfte in Ländern wie Spanien, Griechenland und Portugal gesucht. In ihrer Heimat sind sie infolge der Wirtschaftskrise oft ohne Job und berufliche Perspektive.

„Die Bewerbernachfrage in Spanien und Griechenland ist sehr groß und auch in Portugal gestiegen“, sagte ZAV-Sprecherin Beate Raabe am Montag der Nachrichtenagentur dpa in Bonn. Genaue Zahlen gebe es nicht. Die ZAV bietet gemeinsam mit den nationalen Arbeitsbehörden in den einzelnen Ländern Informationsveranstaltungen und Beratungen an.

Die Arbeitslosigkeit ist in den drei Krisenländern außerordentlich hoch. Den Negativrekord in der EU hält Spanien mit mehr als 21 Prozent. Hier herrscht auch die höchste Jugendarbeitslosigkeit - mit mehr als 43 Prozent. Die Zahl von spanischen Fachkräften, die ins Ausland abwandern, wächst.

Auch aus Portugal, wo sich die Arbeitlosenquote bei gut 12 Prozent eingependelt hat, emigrieren immer mehr hochqualifizierte Jugendliche vor allem in die USA, Brasilien und Großbritannien. In dem Land gibt es eine lange Auswandertradition. Aus Griechenland, wo die Quote über 16 Prozent beträgt, wandern ebenfalls viele Fachkräfte aus. Sie strömen vor allem nach Italien. Auch in Deutschland finden viele Griechen Arbeit, häufig als Ärzte, aber auch in der Gastronomie.

Kritik kam von der CSU. Vorrang vor neuen Anwerbekampagnen müsse die Vermittlung heimischer Arbeitsloser haben. Er wünsche sich, dass sich die Bundesagentur mit großem Nachdruck auf den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit und die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer konzentriere, sagte Parteichef Horst Seehofer in München.

Der Deutsche Pflegerat reagierte ebenfalls ablehnend. Präsident Andreas Westerfellhaus bezeichnete das Abwerben von Pflegekräften aus Ländern wie Portugal und Bulgarien als „zutiefst unethisch und unmoralisch“. Damit reiße Deutschland Lücken in die Versorgung dieser Länder, sagte Westerfellhaus den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Dienstag).

In Spanien sucht die ZAV vor allem Ingenieure. „Es gibt ein großes Potenzial in Spanien, Tausende von Ingenieuren sind arbeitslos, auch IT-Spezialisten“, sagte ZAV-Direktorin Monika Varnhagen der Zeitung „Die Welt“. 17 000 Spanier seien grundsätzlich an einer Arbeit in Deutschland interessiert.

In Portugal richtet sich das Interesse auf Pflegekräfte. Dort gebe es „einen leichten Überhang an Pflegekräften, die in Deutschland dringend gebraucht werden“, erläuterte Raabe. In Griechenland sind vor allem junge Ärzte interessant. Dort sei das Verfahren zur Facharztausbildung sehr langwierig. „Deutsche Krankenhäuser suchen händeringend Ärzte, die hier eine Facharztausbildung machen.“

Die Bundesagentur für Arbeit stellte in einem Zehn-Punkt-Plan in Aussicht, durch eine gesteuerte Zuwanderung könnten insgesamt 800 000 Fachkräfte bis 2025 nach Deutschland kommen. Für Nicht-EU-Bürger - in der EU gibt es die Freizügigkeit - hat die Bundesregierung inzwischen auch die sogenannte Vorrangprüfung für Ärzte und bestimmte Ingenieure ausgesetzt. Die Regelung besagt, dass eine Stelle nur dann mit einem Nicht-EU-Bürger besetzt werden kann, wenn dafür keine deutsche Arbeitskraft zu finden ist.

Nach Erfahrungen der ZAV erschweren auch innerhalb der EU meist fehlende Kenntnisse der deutschen Sprache die Vermittlung. Sprachangebote für Deutsch seitens der ZAV gibt es nicht.

„Viele Bewerber sind zwar fachlich versiert, wenn aber Deutsch-Kenntnisse fehlen, wird es schwierig, einen Arbeitgeber in Deutschland zu finden“, sagte Raabe der dpa. Deshalb gehe es bei den ZAV-Veranstaltungen auch darum, diejenigen Bewerber herauszufiltern, die Deutschkenntnisse haben oder sich aneignen wollen.

In vielen Ländern Europas werde Deutsch gar nicht mehr als Fremdsprache angeboten, sagte ZAV-Direktorin Varnhagen der „Welt“. „Viele Hochqualifizierte lernen nur Englisch und gehen dann eben auch in englischsprachige Länder, wenn sie in ihrem Heimatland keine Beschäftigung finden.“