EU-Gipfel zu Migrationspolitik Merkel erreicht Asylabkommen mit Spanien und Griechenland

Brüssel/Berlin (dpa) - Deutschland hat mit Griechenland und Spanien am Rande des EU-Gipfels eine politische Vereinbarung über die Rückführung von Migranten abgeschlossen. Dies gab der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, am Freitag via Twitter bekannt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt zu dem Gipfel der EU Staats- und Regierungschefs.

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Darin heißt es, die beiden Staaten seien bereit, solche Asylsuchende wiederaufzunehmen, die künftig von deutschen Behörden an der deutsch-österreichischen Grenze festgestellt werden und die einen Eintrag in der Fingerabdruckdatei Eurodac haben. Dies bedeutet, dass er schon dort als Schutzsuchender registriert wurde.

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Deutschland sagte zu, offene Fälle von Familienzusammenführungen in Griechenland und Spanien „schrittweise“ abzuarbeiten. In den zwei Staaten sitzen viele Migranten fest, deren Angehörige in Deutschland sind.

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Weiter legt die Vereinbarung fest, dass die „operativen Einzelheiten der vorstehenden Maßnahmen“ in den nächsten vier Wochen vereinbart und regelmäßig überprüft werden. „Die Zusammenarbeit beginnt unmittelbar, nachdem eine entsprechende Vereinbarung erzielt wurde.“

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Merkel hatte sich auf dem Gipfel zur Entschärfung des Asylkonflikts mit der CSU sehr um bilaterale Abkommen mit einzelnen Ländern zur Rückführung von Flüchtlingen bemüht. Am Donnerstag hatte sie deshalb auch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte gesprochen.

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Außerdem haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf eine generelle Verschärfung der EU-Asylpolitik verständigt. Demnach können künftig gerettete Bootsflüchtlinge in zentralen Sammellagern in der EU untergebracht werden.

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Ähnliche Lager in Nordafrika werden geprüft. Die Grenzschutzagentur Frontex soll schon bis 2020 verstärkt, die EU-Außengrenzen sollen stärker abgeriegelt werden. Kanzlerin Angela Merkel begrüßte die in der Nacht zum Freitag erzielte Einigung. Während Hilfsorganisationen zum Teil scharfe Kritik übten, waren erste Signale des Koalitionspartners CSU vorsichtig positiv.

In der Gipfelerklärung heißt es: „Mitgliedstaaten sollten alle nötigen internen gesetzgeberischen und administrativen Maßnahmen ergreifen, um solchen Bewegungen entgegenzuwirken, und dabei eng zusammenarbeiten.“

Merkel nannte die Einigung der 28 Staats- und Regierungschefs eine „gute Botschaft“. Es warte zwar noch eine Menge Arbeit am gemeinsamen europäischen Asylsystem. „Aber ich bin optimistisch nach dem heutigen Tag, dass wir wirklich weiter arbeiten können“, sagte die CDU-Chefin.

Das CSU-geführte Bundesinnenministerium wollte die Beschlüsse zunächst nicht bewerten. Seehofer wolle dazu erst einmal mit Merkel und weiteren Beteiligten sprechen, sagte eine Sprecherin in Berlin.

Der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und CSU-Vize Manfred Weber betonte: die EU zeige Handlungsfähigkeit, „nicht zuletzt auch, weil CDU und CSU gemeinsam Druck machen“. Nach Ansicht von CSU-Vorstandsmitglied Hans Michelbach gehen die Beschlüsse „in die richtige Richtung“. In der ARD sprach er von einem „Formelkompromiss, der natürlich auch umgesetzt werden muss“.

Die Unionsfraktion im Bundestag begrüßte die Beschlüsse als einen durch das Verhandlungsgeschick der Kanzlerin ermöglichten großen Fortschritt. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) sagte im Deutschlandfunk, er sehe „gute Gründe, dass die CSU (...) die Frist am 1. Juli nicht auslöst, sondern (...) weitere Schritte abgewartet werden“. Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer kündigte an, die CDU-Spitze werde am Sonntag über das weitere Vorgehen befinden.

SPD-Chefin Andrea Nahles begrüßte die EU-Einigung: „Wir sind sehr froh, dass es eine Lösung mit und nicht gegen Europa gibt.“

Kritik kam von der Opposition. AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel nannte die Beschlüsse „halbgar“. FDP-Chef Christian Lindner bezeichnete sie als „vage“. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht hält sie für inakzeptabel. Lager in Libyen seien die „Bankrotterklärung eines Europa, das sich auf bestimmte Werte stützt“. Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock meinte: „Europa droht sich weiter von seinem Wertegefüge zu verabschieden“, sagte sie. „Wer auf Rückweisung auf hoher See setzt, um Menschen an die libysche Küstenwache zu überführen, der bricht mit dem Völkerrecht.“

Mit Flüchtlingen und Migranten befasste UN-Organisationen begrüßten die EU-Einigung in einer ersten Reaktion. Man warte aber noch auf Details, sagten Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und der Organisation für Migration (IOM) in Genf. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef war kritischer. „Wir haben Sorge, dass Kinder in Gewahrsam genommen werden könnten“, sagte eine Sprecherin. Pro Asyl hingegen sprach von einem „Gipfel der Inhumanität“. Ärzte ohne Grenzen forderte: „Die EU-Staaten müssen zur Besinnung kommen.“

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki und sein tschechischer Kollege Andrej Babis lobten die Einigung. Nach zwei Jahren schwieriger Debatten, Kontroversen und Druck habe die EU einstimmig die Haltung Polens und der übrigen drei Visegrad-Staaten Tschechien, Ungarn und Slowakei angenommen, betonte Morawiecki. Die Staaten hatten sich strikt gegen eine Umverteilung von Flüchtlingen gewehrt.

Geradezu euphorisch äußerte sich in Brüssel der italienische Regierungschef Giuseppe Conte, der zeitweilig mit einer Blockade des Gipfels gedroht hatte: „Bei diesem Europäischen Rat wird ein verantwortungsvolleres und solidarischeres Europa geboren. Italien ist nicht mehr allein.“ Conte hatte darauf gedrungen, dass die übrigen EU-Länder Italien mehr Flüchtlinge abnehmen und sich an der Aufnahme aus Seenot geretteter Menschen beteiligen.

Dazu könnten die Aufnahmelager in der EU dienen, die einzelne Mitgliedstaaten freiwillig bei sich errichten können. Schutzbedürftige sollen aus diesen Lagern dann ebenfalls freiwillig von Ländern übernommen werden. Diese Auffanglager in europäischen Mittelmeerländern könnten nach Einschätzung von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz auch das Weiterziehen von Menschen in Länder wie Österreich und Deutschland einschränken.

Ob zusätzlich noch Aufnahmelager in Drittstaaten - wohl in Nordafrika - entstehen sollen, soll geprüft werden. Die betroffenen Staaten lehnen dies bislang aber ab. Bei den möglichen Sammelstellen für Bootsflüchtlinge außerhalb der EU werde mit UNHCR und IOM zusammengearbeitet und internationales Recht eingehalten, so Merkel.

Die EU-Staaten einigten sich zudem auf die Finanzierung weiterer drei Milliarden Euro, die der Türkei für Syrienflüchtlinge zugesagt sind. Außerdem wollen sie die Wirtschaftssanktionen gegen Russland um weitere sechs Monate verlängern, weil in der Ostukraine Fortschritte im Friedensprozess fehlen.