Meinung Asylabkommen - Die Brüsseler Einigung und der Zoff in der Union
Angela Merkel entdeckt immer dann die Kämpferin in sich, wenn sie mit dem Rücken zur Wand steht. Wer hätte schon darauf gewettet, dass die in der Migrationspolitik abgrundtief zerstrittene EU doch noch einen Kompromiss zustande bringt?
Merkel ist jedenfalls nicht mit leeren Händen nach Berlin zurückgekehrt. Doch die migrationspolitische Dauerfehde zwischen ihr und der CSU ist damit nicht beendet.
Die Kanzlerin hat sich in der durchverhandelten Nacht in Brüssel erst einmal aus der Defensive herausgearbeitet. Allerdings um den Preis der moralischen Selbstverleugnung. Dieser Kompromiss markiert schlicht das Ende der Willkommenskultur, wie sie mit der Kanzlerin lange Zeit verbunden war. Auffanglager im Norden Afrikas und Ankunftszentren innerhalb der EU stehen für Abwehr, Abschottung, ja, Abschreckung.
Fraglich ist gleichwohl, ob das alles funktionieren kann. Länder wie Libyen und Tunesien weigern sich offenbar, solche Massencamps auf ihrem Territorium zu dulden. Auch Albanien zeigt sich davon nicht angetan. Nur mit milliardenschweren Zuwendungen aus Brüssel könnten sie sich umstimmen lassen. Doch selbst wenn das gelingt, müssen die Flüchtlinge hinterher europäisch verteilt werden.
Genau das soll nach dem Brüsseler Kompromiss aber strikt auf freiwilliger Basis geschehen. Einerseits ist Merkels Ansinnen für feste Verteilungsquoten damit endgültig vom Tisch. Andererseits bleibt unklar, ob nun ausgerechnet das Freiwilligkeitsprinzip für einen Sinneswandel in Staaten sorgen kann, die selbst schon bei nur einem einzigen ankommenden Flüchtling das Gespenst ihres nationalen Untergangs an die Wand malen.
Merkel hat erst einmal Zeit gewonnen. Zeit, um ihre Macht in Berlin wieder zu konsolidieren. Wenn es der CSU wirklich um die Sache ginge, dann müsste sie jetzt mithelfen, die europäische Vorlage konkret auszugestalten. Sollte Horst Seehofer jedoch kommende Woche die nationalen Grenzen trotzdem im Alleingang schließen und die ohnehin nur noch spärlich ankommenden Flüchtlinge ohne jegliche Prüfung zurückweisen, dann ist klar, dass es der Bayern-Partei nur um ideologische Symbolik geht — und darum, Angela Merkel aus dem Kanzleramt zu verjagen. Mit der Brüsseler Einigung im Rücken müsste sie ihren Innenminister erst recht entlassen.