Deutschland und Afghanistan vor Partnerschaftsabkommen
Kabul/Kandahar (dpa) - Deutschland und Afghanistan wollen ihre Zusammenarbeit nach dem Ende des internationalen Kampfeinsatzes 2014 bald in einem umfassenden Partnerschaftsabkommen regeln.
Die Vereinbarung werde alle Felder der Politik erfassen und in naher Zukunft fertiggestellt, sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Mittwoch in Kabul. Militärische Hilfe etwa bei der Ausbildung afghanischer Soldaten soll nicht Teil des Abkommens sein, sondern im Nato-Verbund geregelt werden.
De Maizière traf in der afghanischen Hauptstadt Präsident Hamid Karsai und Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak. Der Besuch stand unter dem Eindruck des Massakers eines US-Soldaten an Zivilisten in der Nacht zum Sonntag. Der Amokschütze tötete nach afghanischen Regierungsangaben 16 Menschen, darunter neun Kinder.
Drei Tage nach dem Blutbad traf als erstes hochrangiges US-Regierungsmitglied Verteidigungsminister Leon Panetta zu einem Besuch in Afghanistan ein. Panetta sprach am Mittwoch zunächst im Süden des Landes mit US-Soldaten. Am selben Tag kam es in der Region zu zwei Bombenanschlägen mit mehreren Toten.
In der Provinz Helmand starben nach Angaben der Behörden acht Afghanen, als ihr Fahrzeug in eine Sprengfalle geriet. Bei einem Anschlag in der Stadt Kandahar wurde ein afghanischer Geheimdienstmitarbeiter getötet. Zwei weitere Mitarbeiter des Geheimdienstes NDS seien verletzt worden, teilte das Büro des Gouverneurs der Provinz Kandahar mit.
In derselben Provinz hatte der US-Soldat in der Nacht zum Sonntag das Massaker verübt. Vor dem Amoklauf hatten Koranverbrennungen durch US-Soldaten für schwere Unruhen in Afghanistan gesorgt.
Über den Ort der Gerichtsverhandlung gegen den Amokschützen wurde noch nicht entschieden. Ein Sprecher der Internationalen Schutztruppe Isaf sagte, die Entscheidung werde nach der Untersuchung fallen. Das Verfahren könnte vor einem Militärgericht in Afghanistan stattfinden. Es werde aber nach amerikanischem Recht verhandelt werden.
Aus afghanischen Regierungskreisen hieß es, Panetta werde bei seinem zweitägigen Besuch mit Präsident Karsai und Verteidigungsminister Wardak zusammenkommen. Nach dem Treffen mit de Maizière verurteilte Wardak das Massaker. Er machte aber deutlich, dass er nicht von einer dauerhaften Belastung des Verhältnisses zu den USA ausgeht. „Ich denke, wir können sicher sein, dass die zuständigen US-Stellen angemessen reagieren und den Verantwortlichen bestrafen werden“, sagte Wardak. „Wir müssen weiter voranschreiten.“
De Maizière sprach den von dem Massaker betroffenen Familien sein Beileid aus. Er kritisierte auch die Koranverbrennungen durch US-Soldaten im Februar, die tagelange Unruhen ausgelöst hatten. Gleichzeitig drang er darauf, dass die afghanische Armee Maßnahmen gegen Angriffe aus ihren Reihen auf Verbündete ergreift.
„Die Missachtung religiöser Symbole durch Isaf und der schreckliche Amoklauf treffen die Afghanen ins Herz“, sagte de Maizière. „Ein Anschlag durch Innen-Täter auf uns trifft uns ins Herz, und deswegen muss beides verhindert werden.“ Wardak versicherte de Maizière, alles zu tun, um Angriffe afghanischer Soldaten oder Polizisten auf Isaf-Verbündete zu unterbinden. De Maizière sagte, die Zusage Wardaks sei für ihn eine „ganz wichtige Botschaft“.
Weiteres Thema des Besuchs war der laufende Truppenabzug. De Maizière versicherte, dass die Nato den Zeitplan einhalten werde, nach dem 2014 der internationale Kampfeinsatz enden soll. Nach dem Amoklauf war die Debatte über die Abzugsplanung neu entbrannt.
Es war de Maizières sechster Besuch in Afghanistan seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr. Erst in der vergangenen Woche war der CDU-Politiker zu den deutschen Soldaten in Nordafghanistan gereist. Am Montag war Bundeskanzlerin Angela Merkel im Hauptquartier der Bundeswehr in Masar-i-Scharif.
De Maizière hatte vor Kabul in Pakistan und Usbekistan Station gemacht, den aus deutscher Sicht wichtigsten Nachbarländern Afghanistans. Vom usbekischen Stützpunkt Termes aus wird die Bundeswehrtruppe auf dem Luftweg versorgt. In den nächsten Jahren soll durch das zentralasiatische Land ein Teil der Abzugs-Karawane rollen. Der Atommacht Pakistan, die als Rückzugsraum und Operationsbasis der afghanischen Aufständischen gilt, wird eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung Afghanistan beigemessen.