Die FDP-Fraktion meldet sich ab

Letzte Sitzung im Bundestag nach der Wahlniederlage.

Berlin. Die Tagesordnung ist überschaubar: „1. Situation nach der Bundestagswahl. 2. Finanzsituation. 3. Liquiditätsbeschluss“. Die FDP-Bundestagsfraktion, 93 Mitglieder stark, hört auf zu existieren. „Heute Abend bei Ossi“, raunt ein Abgeordneter im Vorbeigehen einem Kollegen zu. „Kante geben.“ Ossi ist die Kneipe für Abgeordnete im Haus der Parlamentarischen Gesellschaft.

Die politischen Führungskräfte versuchen die Contenance besser zu wahren. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Noch-Justizministerin, sagt tapfer, dass die FDP „kein Trauerfall“ sei, und „keine Konkursmasse“, sondern lediglich einen Denkzettel bekommen habe. Oder Wolfgang Gerhard, langjähriger Fraktions- und Parteichef, der sich ganz sicher ist, dass seine Partei 2017 wiederkommen wird. Philipp Rösler, Noch-Parteichef, und Rainer Brüderle, nicht mehr Fraktionschef, sagen gar nichts.

Dass ihn kaum jemand aus der Union tröstend angerufen habe, nur SPDler, Grüne und Linke, schildert ein Abgeordneter anklagend. Und ein anderer sagt, dass 5,1 Prozent das schlimmere Ergebnis gewesen wäre als die 4,8 Prozent vom 22. September. „Denn dann hätten ja alle so weitergemacht wie bisher.“

Liquidation der Fraktion heißt, dass alles an den Bundestag zurückgegeben werden muss, Gelder, Räume, Geräte. Vor allem aber geht es um die Mitarbeiter. Ende Dezember laufen die befristeten Arbeitsverhältnisse der 120 Fraktionsmitarbeiter aus. Die der direkt bei den Abgeordneten angestellten 500 Beschäftigten schon Ende Oktober.

Der Krefelder Otto Fricke, bisher Parlamentarischer Geschäftsführer, ist einer der offiziell gewählten „Liquidatoren“. Man merkt dem 47-Jährigen an, wie sehr er sich für die Angestellten engagieren will. „Das sind Leute, die können rund um die Uhr arbeiten“, wirbt er sogleich bei den Journalisten, als die nach den Chancen der Betroffenen fragen. „Schreiben Sie das ruhig.“ Einer der Betroffenen, der fast ein Jahrzehnt lang für die liberale Sache gearbeitet hat, ist jetzt auf Bewerbungstour. Immerhin zwei Gespräche „mit Arbeitgebern außerhalb der Politik“ hat der Mit-Dreißiger schon geführt. „Es sieht ganz gut aus.“

Rund 30 Mitarbeiter können in die Ministerien zurückkehren, von denen sie einst in die Fraktion entsandt wurden. Für den Rest wird es schwierig. Zwar hat die Fraktionsführung mit den anderen Parteien geredet, ob dort etwas geht. Vor allem bei der befreundeten CDU, die viele neue Jobs zu vergeben hat. Doch die Reaktion war verhalten. Und die Wirtschaft, so ein Abgeordneter, ist jetzt plötzlich auch nicht mehr so aufgeschlossen.