Dreikönigstreffen der FDP Die FDP spricht wieder vom Regieren - ohne Merkel

Stuttgart · Christian Lindner gibt sich beim Dreikönigstreffen offen für eine Regierungsbeteiligung ohne Merkel. Seit die Kanzlerin ihren Abschied auf Raten verkündet hat, hat sich die Ausgangslage für ihn fundamental verändert.

Christian Lindner spricht während des Dreikönigstreffens der FDP in der Stuttgarter Oper.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Auf der Bühne eine weiße Lounge-Ecke, auf der neben den Rednern ein paar Nachwuchstalente der FDP Platz nehmen. Clubatmosphäre. In der Mitte der Vorsitzende Christian Lindner, der am Montag 40 Jahre alt wird. Er tippt lässig mit beiden Daumen auf seinem Handy herum, während ein Vorredner spricht. Die FDP gibt sich beim Dreikönigstreffen in der Stuttgarter Staatsoper jugendlich – und optimistisch für das Jahr 2019.

Eigentlich ist die Lage vor der Europawahl nicht besonders gut für die Partei. Von den Verlusten der GroKo-Parteien haben bisher vor allen die Grünen profitiert, dann noch die AfD. Die Liberalen aber sind nur mit Ach und Krach in die Landesparlamente von Bayern und Hessen gekommen, hängen bundesweit bei acht Prozent in den Umfragen. Lindner hatte ein Jahr lang zudem seine liebe Mühe mit der Debatte, warum um Himmels willen er bloß die Chance verstreichen ließ, eine Jamaika-Koalition zu bilden, was den ganzen GroKo-Ärger überflüssig gemacht hätte.

Seit Angela Merkel ihren Abschied auf Raten verkündet hat, hat sich die Ausgangslage für ihn fundamental verändert. „Die Dinge sind ins Rollen gekommen“, sagt er in Stuttgart. Locker steht er da, das kaum sichtbare Mikrofon des Headsets vor dem Mund, die linke Hand in der Hosentasche. Kaum ein Politiker kann so gut und einprägsam frei reden wie er. An diesem Sonntag mehr als eine Stunde lang. Lautete sein Schlüsselsatz im Dezember 2017 bei der Absage an Jamaika „Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, so sagt er jetzt: „Wir laufen keinem hinterher. Aber wir laufen auch nicht weg“. Und weiter: „Wer uns ein faires Angebot zur Erneuerung macht, kann zu jeder Zeit damit rechnen, dass wir bereit sind, Verantwortung für dieses Land zu übernehmen“. Leise wiederholt er: „Zu jeder Zeit“. Mehr Angebot geht kaum.

Die Entwicklung in der Union ist in zweierlei Hinsicht gut für die Liberalen. Zum einen, weil sie die damalige Entscheidung gegen Jamaika nun elegant korrigieren können. Zum anderen, weil nicht Friedrich Merz der Nachfolger als Parteivorsitzender geworden ist, sondern Annegret Kramp-Karrenbauer. Merz wäre mit seinem Wirtschaftsliberalismus eine direkte Konkurrenz gewesen. Jetzt gibt es sogar die Chance, dass enttäuschte Merz-Anhänger sich von der CDU abwenden und bei der FDP anklopfen. Lindner sagt zwar „Wir sind nicht der Wirtschaftsclub der CDU“, aber inhaltlich übernimmt er Merz‘ Begriff der „Agenda für die Fleißigen“. Seine Forderungen reichen von mehr Flexibilität beim Renteneintritt über höhere Zuverdienstmöglichkeiten bei Hartz IV bis zur völligen Abschaffung des Solidaritätszuschlages ab 2020.

Außerdem ist es für die FDP gut, dass die neue CDU-Chefin in gesellschaftspolitischen Fragen eher konservativ tickt, was Lindner sogar vor einer „Rückabwicklung“ der Merkelschen Reformen warnen lässt. Er präsentiert einen Katalog gesellschaftspolitischer Reformforderungen, angefangen mit der Abschaffung des Paragrafen 219 a. Warum Jamaika mit Kramp-Karrenbauer einfacher sein soll als mit Merkel, diese logische Lücke, lässt Lindner allerdings offen. Für seine selbstbewusste Rede bekommt er dennoch starken Beifall. Aber den hat er auch vor einem Jahr bekommen, als er noch seine Ablehnung von Jamaika rechtfertigte. Die FDP, das ist eine weitere Botschaft aus Stuttgart, hat immer nur einen König. Dreikönig hin oder her. Und der heißt Lindner.