Die Tombola im Oberlandesgericht

Im NSU-Prozess ändert der Richter die Spielregeln. Einige ausländische Journalisten haben nun einen Platz sicher.

München. Die Presseplätze im NSU-Prozess werden jetzt im Losverfahren vergeben — und für türkische Medien sind vier Plätze fest reserviert. Auch für griechische Medien und für solche, die auf Persisch publizieren, wird je ein Platz vorgehalten, gab das Münchner Oberlandesgericht (OLG) bekannt. Damit trägt das Gericht der Herkunft der Opfer Rechnung — das hatte das Bundesverfassungsgericht gefordert.

Insgesamt gibt es im Prozess um die Neonazi-Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) 50 Presseplätze. Anders als im ersten Anlauf werden diese nun in Kontingente eingeteilt.

Das OLG hatte Anfang der Woche ein neues Akkreditierungsverfahren angekündigt. Deshalb war der Beginn des Prozesses um drei Wochen auf den 6. Mai verschoben worden. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor auf Klage der türkischen Zeitung „Sabah“ hin entschieden, dass vor allem türkische Medien eine angemessene Zahl von Sitzplätzen erhalten müssten. Diese waren beim ersten Anlauf leer ausgegangen — da hatte das OLG die Plätze nach der Reihenfolge der Anmeldungen vergeben. In dem Gerichtssaal gibt es gut 100 Plätze für Journalisten und Zuschauer.

„Sabah“-Vizechefredakteur Ismail Erel sagte, er denke, dass in dem neuen Verfahren jeder die gleichen Chancen habe. „Es ist fair, es ist transparent. Da fragt man sich natürlich: Warum nicht gleich so?“ „Der Vorsitzende hat sich dafür entschieden, weil das nach Abwägung aller Gesichtspunkte und aller Interessen das fairste Verfahren zu garantieren scheint“, sagte Gerichtssprecherin Andrea Titz. Jetzt müsse sich das Gericht der Aufgabe widmen, den schwierigen und aufwendigen NSU-Prozess zu führen.

Die bisherigen Akkreditierungen werden aufgehoben. Wer im ersten Verfahren einen Platz bekommen hatte, kann nun leer ausgehen. Die neue Verfügung des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl erlaubt aber diesmal auch eine „nachträgliche Poolbildung“, also eine Weitergabe einer Reservierung an Journalisten eines anderen Mediums.

Die Akkreditierungsfrist endet am 23. April um 24 Uhr. Die Auslosung der reservierten Plätze erfolgt am 29. April nicht-öffentlich durch einen Notar.

Eine Videoübertragung in einen Nebenraum lehnt das Gericht weiterhin ab. Dem Gericht könnte jedoch neuer Ärger drohen: Ein Journalist, der im ersten Verfahren einen festen Sitzplatz bekommen hätte, hat bereits rechtliche Schritte angekündigt, wenn er nun herausfallen sollte.

Der Hauptangeklagten Beate Zschäpe wird Mittäterschaft an den rassistisch motivierten Morden und Anschlägen des NSU vorgeworfen. Zudem sind vier mutmaßliche NSU-Helfer und -Unterstützer angeklagt. Von den zehn NSU-Mordopfern waren acht türkischer und einer griechischer Herkunft, zudem starb eine deutsche Polizistin. Bei einem Bombenanschlag auf ein iranisches Lebensmittelgeschäft in Köln wurde eine junge Frau verletzt.