Ausstellung Domina mit Pickelhaube - Kanzler in der Karikatur

Bonn · „Birne“ Helmut Kohl, „Spaßkanzler“ Gerhard Schröder, „Mutti“ Angela Merkel - eine Ausstellung im Haus der Geschichte nähert sich den deutschen Kanzlern über die Karikatur. Interessant ist der Vergleich mit dem Ausland.

Besucher können in der Ausstellung "Zugespitzt" im Haus der Geschichte abstimmen, ob eine Karikatur des Zeichners Steve Bell eine Grenzüberschreitung ist oder nicht.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Angela Merkel als schwarze Domina mit Pickelhaube, die dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ihren Willen aufzwingt - ist das okay oder geht das zu weit? Besucher einer Karikaturen-Ausstellung im Haus der Geschichte in Bonn können darüber jetzt auf einem Monitor abstimmen.

Interessant ist: Die ätzendsten Merkel-Karikaturen stammen alle aus dem Ausland, die Domina-Karikatur etwa von dem gnadenlosen Cartoonisten des „Guardian“, Steve Bell. Der zeichnete den früheren Premierminister David Cameron grundsätzlich immer mit einem Kondom über dem Kopf. Die polnische Zeitschrift „Wprost“ zeigte Angela Merkel 2007 als barbusige Mutti Europas - woraufhin die „Bild“-Zeitung titelte: „Polen verhöhnen deutsche Kanzlerin“.

Das Modell eines Rosenmontagswagen zum Machtwechsel von Helmut Kohl zu Gerhard Schröder von Jacques Tilly ist in der Ausstellung "Zugespitzt" im Haus der Geschichte zu sehen.

Foto: dpa/Henning Kaiser

„Zugespitzt - Kanzler in der Karikatur“ heißt die einfallsreiche Schau von diesem Mittwoch (25. September 2019) bis zum 10. Mai 2020. Sie umfasst viel mehr als Karikaturen. Zu den vielen überraschenden Exponaten gehört zum Beispiel eine kleine Rakete mit Spottzeichnungen über Konrad Adenauer, die während des Kalten Krieges von der DDR aus in die Bundesrepublik abgefeuert wurde.

In diesen Anfangsjahren der Bundesrepublik waren die westdeutschen Karikaturen sehr brav. Denn in frischer Erinnerung waren noch jene Hetzzeichnungen, die in der Endphase der Weimarer Republik zum Abbruch der Demokratie beigetragen hatten. Auf diesen Weg wollte man sich nicht wieder begeben.

Eine Puppe nach Helmut Kohl aus der Fernsehserie "Hurra Deutschland" ist in der Ausstellung "Zugespitzt" im Haus der Geschichte zu sehen.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Adenauer formulierte seinen Unmut über einzelne Darstellungen damals auch schon mal in einem persönlichen Brief: „Ihren Karikaturenband "Adenauer: Sein Leben" finde ich recht wenig gut.“ Auch über Pappfiguren im Kölner Karnevalszug beschwerte sich „der Alte“ mit der Begründung, solche Respektlosigkeiten würden die Demokratie untergraben.

Spätestens mit Beginn der Studentenrebellion von 1968 wurden die Karikaturisten angriffslustiger. In den 80er Jahren verspotteten Satiriker Helmut Kohl so konsequent als Birne, dass schließlich schon der abstrahierte Umriss ausreichte, um die Verbindung zu dem als dümmlich wahrgenommenen Pfälzer herzustellen. Der reagierte darauf aber alles andere als dumm: Die Junge Union verteilte Anstecker mit dem Spruch „I like Birne“, und in einer Wahlwerbung biss der „schwarze Riese“ selbst in eine solche.

Toilettenpapier mit einer Karikatur von Gerhard Schröder ist in der Ausstellung "Zugespitzt" im Haus der Geschichte zu sehen.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Der millionenfach verkaufte „Steuersong“ aus der Radio-Comedy „Die Gerd-Show“ führte 2002 zu einer Welle von Gerhard-Schröder-Witzartikeln. Der „Spaßkanzler“ wanderte als Puppe oder Spiel über die Ladentheke. Angela Merkel brachte es unter anderem zur Zitronenpresse und russischen Matroschka, aus der andere Kabinettsmitglieder entnommen werden konnten.

Der überaus bissige Steve Bell hat Angela Merkel während der Flüchtlingskrise übrigens geradezu als Heilige dargestellt - seinen Spott hob er sich für jene britischen Politiker auf, die die Grenzen abschotteten. Leider gibt es dafür kein Beispiel in der Ausstellung. Für deutsche Karikaturisten ist es schwer geworden, die Kanzlerin hart anzugehen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, den Rechten in die Hände zu spielen. Sie dürften deshalb aufatmen, wenn zur nächsten Legislaturperiode ein neues Gesicht aus dem Kanzleramt schaut.

(dpa)