Interview Grünen-Politiker Trittin kritisiert Klimapaket der Bundesregierung

Berlin · Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin hält das Klimapaket der Bundesregierung für völlig unzureichend. Mit dem Grünen-Politiker sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter:

Foto: Britta Pedersen

F: Herr Trittin, Sie haben Kanzlerin Merkel kürzlich vorgeworfen, beim Klimaschutz "14 Jahre lang nichts gemacht" zu haben. Sind Sie jetzt eines es Besseren belehrt?

A: Leider nein. Sie hat jetzt zwar gesagt, sie hätte verstanden - aber sie hat nichts daraus gelernt. Seit der Kanzlerschaft von Angela Merkel im Jahr 2005 stagnieren in Deutschland die C02-Emssisionen. Nun hat die Regierung ein Klimapaket zusammengezimmert, das mich an einen Ausspruch meiner Oma erinnert: Nachts werden die Faulen fleißig.

F: Immerhin wurde an sehr vielen Stellschrauben gedreht, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen.

A: Das Papier enthält leider zu wenig, vieles kommt zu spät und vieles ist auch falsch. Damit wird weder der Ausbau der Erneuerbaren Energien anspringen, noch wird der Verkehr in Zukunft elektrisch und sauber. Im Gegenteil, da wird sogar die Pendlerpauschale erhöht, ein vollkommen falsches Zeichen. So wird Deutschland seine Zusagen, die es im Pariser Klimaschutzabkommens rechtsverbindlich gemacht hat, nicht erreichen: nämlich 55 Prozent seiner C02-Emissionen bis 2030 einzusparen. Und zwar gemessen am Stand von 1990.

F: Was kritisieren Sie konkret?

A: Bayern verweigert sich zum Beispiel weiterhin dem Windkraftausbau mit seiner absurden Abstandsregelung - und erhöht damit den Druck auf andere Länder, da ebenfalls restriktiver zu werden. Immerhin, dass der Deckel beim Solarstromausbau fällt, ist gut. Der war eine der absurdesten Ideen der GroKo und hat die Solarbranche in Deutschland quasi eliminiert. Und es ist sehr zweifelhaft, ob die Einsparmaßnahmen im Verkehrsbereich ausreichen. Dabei ist das gerade ein besonders kritischer Bereich. Alle Einsparungen, die in den letzten Jahren anderswo erbracht wurden, zum Beispiel durch den Rückgang der Stromerzeugung auf Kohlenbasis und den Ausbau erneuerbarer Energien, sind zunichte gemacht worden durch den gestiegenen Schadstoffausstoß im Verkehr.

F: Klimafreundliches Verhalten wird belohnt, dagegen verteuern sich fossile Brennstoffe wie Benzin oder Öl. Tragen die Grünen dieses Grundprinzip mit?

A: Wenn dieses Grundprinzip ernst gemeint ist, ja. Aber wenn man wie die Bundesregierung den C02-Ausstoß über einen Handel mit Zertifikaten steuern will, braucht man einen verlässlichen Pfad, in welchem Umfang diese Zertifikate jedes Jahr reduziert werden. Und einen ernstgemeinten Preis. Die zehn Euro die jetzt vorgeschlagen werden, sind viel zu wenig. Und Planungssicherheit gibt es auch nicht, weil nach 2025 alles offen ist. So wird es keine Lenkungswirkung geben.

F: Durch die Einführung eines CO2-Mindestpreises würde sich zum Beispiel Benzin sofort verteuern. Welche Wirkung hat das in der Praxis?

A: Das ist noch unabsehbar. Denn wenn Mineralölunternehmen entsprechend für die Zertifikate bezahlen müssen, ist ja noch nicht gesagt, ob sie die Mehrkosten komplett an die Verbraucher weitergeben, oder wettbewerbsbedingt nur zum Teil, oder auch gar nicht. Die Hotelübernachtungen sind ja auch nicht billiger geworden, weil die Mövenpicksteuer gesenkt wurde.