Edathy fordert Abziehen der Ermittler von seinem Fall
Berlin (dpa) - Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy sieht einen Geheimnisverrat bei den Kinderpornografie-Ermittlungen gegen sich und fordert ein Ablösen der bisherigen Ermittler.
Sein Anwalt Christian Noll forderte Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne), „die Staatsanwaltschaft Hannover sowie die vorgesetzte Generalstaatsanwaltschaft Celle von der Zuständigkeit für das Verfahren zu entbinden“. Edathy habe eine weitere Anzeige gegen die Staatsanwaltschaft Hannover gestellt, da Details aus der Akte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zitiert worden seien.
Die SPD-Spitze leitete unterdessen ein Parteiordnungsverfahren gegen den früheren Bundestagsabgeordneten ein, wie Generalsekretärin Yasmin Fahimi nach einem einstimmigen Präsidiumsbeschluss mitteilte. Im schlimmsten Fall droht Edathy der Ausschluss. Man habe das Verfahren an die Bezirksschiedskommission in Hannover übergeben, sagte Fahimi. Vor einer Woche hatte der SPD-Vorstand als ersten Schritt das Ruhen der Mitgliedsrechte beschlossen. Der zweite Schritt ist das nun eingeleitete Parteiordnungsverfahren, das über das weitere Vorgehen in dem Fall entscheidet. Denn das Ruhen der Mitgliedsrechte ist gemäß SPD-Satzung zunächst auf maximal drei Monate befristet.
Fahimi begründete den Schritt mit moralisch unkorrektem Verhalten Edathys, das nicht zur Haltung der SPD passe. Der 44-jährige Politiker hatte am 7. Februar sein Mandat im Bundestag niedergelegt - er nannte gesundheitliche Gründe. Kurze Zeit später kam heraus, dass gegen ihn Ermittlungen wegen des Erwerbs sogenannter „Posing-Bilder“ laufen. Bislang ist die rechtliche Lage aber schwierig, wenn Jungen oder Mädchen nackt vor der Kamera posieren. Besitz oder Weitergabe solcher „Posing-Bilder“ sind nur dann strafbar, wenn die unbedeckten Genitalien der Kinder „aufreizend zur Schau gestellt“ sind.
Mit Blick auf den Medienbericht betonte Anwalt Noll: „Zu der Missachtung der Unschuldsvermutung und der Benennung von Details aus seiner Privatsphäre kommt nunmehr die Verletzung von Dienstgeheimnissen hinzu.“ Edathy müsse davon ausgehen, „dass die Ermittlungsbehörden die vollständige Ermittlungsakte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zugänglich gemacht haben“. Das sei eine Straftat. „Ermittlungsbeamte, die selbst Straftaten begehen, sind ersichtlich ungeeignet, ein Strafverfahren zu führen.“
Die Staatsanwaltschaft Hannover wollte dazu keine Stellung nehmen. Der Sprecher des Justizministeriums sagte: „Wir prüfen das Schreiben.“ Die bereits laufende Dienstaufsichtsbeschwerde von Edathy werde weiter von der Generalstaatsanwaltschaft Celle bearbeitet.
Edathys Name war am 15. Oktober der Polizei im niedersächsischen Nienburg in Beweismaterial aus Kanada aufgefallen - dabei ging es um ein Portal, bei dem auch kinderpornografische Filme und Bilder bestellt werden konnten. Das Bundeskriminalamt (BKA) hatte das Material zu etwa 800 deutschen Kunden schon 2011 erhalten. Erst durch den Rückruf eines Beamten aus Nienburg wurde deutlich, dass der Name Edathy auf der Liste jener Bundestagsabgeordnete war, der bis kurz zuvor den Untersuchungsausschuss zu den NSU-Morden geleitet hatte.
Vorwürfe, man habe Informationen zu Edathy gezielt zurückgehalten, nannte das BKA am Montag in Wiesbaden „absurd“. „Es ist ungeheuerlich, den Beamtinnen und Beamten des BKA mit diesen Spekulationen strafbare Handlungen zu unterstellen und sie öffentlich zu beleidigen“, kritisierte BKA-Präsident Jörg Ziercke.
Der Fall hat auch zu Verwerfungen in der großen Koalition geführt, nachdem bekannt wurde, dass der damalige Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Oktober 2013 SPD-Chef Sigmar Gabriel darüber informiert hatte, dass Edathy auf der Liste stand. Dieser weihte die SPD-Politiker Thomas Oppermann und Frank-Walter Steinmeier ein. Friedrich trat am 14. Februar zurück, ihm drohen Ermittlungen wegen des möglichen Verrats von Dienstgeheimnissen. Edathy selbst betont, nichts Strafbares getan zu haben. Die CSU forderte am Montag von der SPD ein öffentliches Bedauern für die Entwicklungen in dem Fall.
Edathys Anwalt betonte, der Vorgang hätte bereits Anfang November geschlossen werden müssen. Stattdessen habe die Staatsanwaltschaft öffentlichkeitswirksam Durchsuchungen vorgenommen, „in der bloßen Hoffnung, dabei etwas zu finden“. Noll warf der Staatsanwaltschaft Hannover Befangenheit vor: „Es gibt keine rechtlichen Grauzonen. Es gibt legal und nicht-legal.“ Das BKA, die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main sowie die Staatsanwaltschaft Hannover selbst hätten das Verhalten Edathys als nicht strafbar eingestuft, betonte Noll.