Europawahl: Kippt das Verfassungsgericht die Drei-Prozent-Klausel?
Am Mittwoch soll es Klarheit geben — rechtzeitig vor der Europawahl am 25. Mai.
Karlsruhe. Nach der Europawahl 2009 hatten Wähler wegen der damals geltenden Fünf-Prozent-Hürde Beschwerden beim Verfassungsgericht eingereicht. Die Richter erklärten die Sperrklausel für verfassungswidrig — und spielten damit den Ball Richtung Bundestag: Die Details der Europawahl darf jeder Staat selbst regeln, und so musste das deutsche Gesetz geändert werden.
Der Bundestag hielt den Ball im Spiel: Anstelle der rechtswidrigen Fünf-Prozent-Hürde legten die Abgeordneten eine neue Hürde fest, diesmal bei drei Prozent. Es dauerte nicht lange, bis der Ball wieder im Karlsruher Feld landete: 19 Gruppierungen klagten beim Bundesverfassungsgericht, von der Piratenpartei über die Freien Wähler bis zu den Grauen Panthern; natürlich auch die klagefreudige rechtsextreme NPD.
Am Mittwoch um 10 Uhr wird Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle das Urteil verkünden, und es ist damit zu rechnen, dass es ein druckvoller Schmetterball wird, der das muntere Hin und Her fürs erste beendet. Das ist schon aus Termingründen zu erwarten — die Europawahl findet in Deutschland am 25. Mai statt, und für einen weiteren Klageumlauf fehlt die Zeit.
Gewichtige Stimmen hatten sich in der mündlichen Verhandlung im Dezember für den Erhalt der Klausel ausgesprochen, unter anderem EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). Der Fraktionsjustiziar der CDU/CSU im Bundestag, Helmut Brandt (CDU) zeigte sich dagegen skeptisch, ob es bei der von seiner Partei mitgetragenen Drei-Prozent-Hürde bleibt.
Nach den Berechnungen des Bundeswahlleiters wären ohne Sperrklausel 2009 sieben weitere Gruppierungen aus Deutschland in das Europäische Parlament eingezogen: Freie Wähler, Republikaner, Tierschutzpartei, Familien-Partei, Piraten, Rentner-Partei und die ÖDP (Ökologisch-Demokratische Partei). Ein Wegfall der Klausel könnte den kleinen Parteien Auftrieb geben.
Grund ist der „Kippschalter-Effekt“: Sperrklauseln halten Wähler von chancenlosen Parteien ab; wenn aber die Aussicht besteht, dass eine Partei es ins Parlament schafft, wird sie für viele erst wählbar. Hinzu kommt die geringere Wahlbeteiligung bei Europawahlen. „Das begünstigt Kleinparteien, die ihre Anhänger besser mobilisieren können“, sagt Parteienforscher Stephan Klecha.
Sorgen um die Funktionsfähigkeit des Parlaments müsse man sich nicht machen: „Das hängt nicht davon ab, ob Deutschland ein oder zwei Parteien mehr entsendet — sondern davon, wie sich das Parlament organisiert“, meint Klecha.