EKD-Chef Schneider beklagt deutsche Flüchtlingspolitik
Dresden (dpa) - Mit einem Gedenken an den Mauerfall vor 25 Jahren und kritischen Tönen zur Flüchtlingspolitik ist die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) in die Jahrestagung ihres Parlaments gestartet.
Dabei wird am Dienstag in Dresden über die Nachfolge des EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider entschieden, der wegen einer schweren Krankheit seiner Frau vorzeitig aus dem Amt scheidet.
Eine Politik der Abschottung und Ungastlichkeit gegenüber Flüchtlingen beklagte Schneider in seinem letzten Bericht vor der Kirchensynode. „Die Zustände in vielen Aufnahmeeinrichtungen sind Anlass zur Scham“, sagte der EKD-Chef. „Die Angst, dass ein ungebremster Zuzug von Flüchtlingen den eigenen Wohlstand gefährdet, bricht sich in Ablehnung, Abwehr und Gewalt gegen Flüchtlinge und Migranten Bahn.“
Schneider hob den Einsatz der evangelischen wie auch der katholischen Kirche für Flüchtlinge hervor. „Ungezählte Menschen fanden und finden Kirchenasyl, um in Ausnahmesituationen ein letzes Überprüfen ihrer persönlichen Situation zu ermöglichen.“
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der nach dem Festgottesdienst auch an der Kirchentagung teilnahm, betonte den deutschen Einsatz für Flüchtlinge. Die bislang große Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung dürfe nicht gefährdet, Kommunen dürften nicht überfordert werden. Auch eine Unterbringung von Flüchtlingen in Gewerbegebieten sei notfalls zumutbar.
Schneider rechtfertigte den Ruf der Kirche nach einem militärischen Vorgehen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Zwar proklamiere die Bibel keine Gewalt. „Aber das Evangelium ruft uns nicht dazu auf, tatenlos zuzusehen, wie andere Menschen gequält, geköpft, vergewaltigt und versklavt werden.“ Bei allem Respekt gegenüber pazifistischen Positionen sei für ihn der Beschluss der Bundesregierung nachvollziehbar gewesen, den kurdischen Kämpfern Waffen für ihren Widerstand gegen IS zu liefern.
Im zentralen Gedenkgottesdienst der EKD zum Mauerfall unterstrich Sachsens Landesbischof Jochen Bohl die wichtige Rolle der Kirche bei der Wende in der DDR. „In einer Situation, in der (...) niemand sonst dem Protest hätte Raum und Stimme geben können, standen die Türen der Kirchen offen.“
Für die Nachfolge Schneiders an der EKD-Spitze sind zwei Lösungen denkbar. Entweder übernimmt Schneiders Vertreter Jochen Bohl (64) für das letzte Jahr der Amtsperiode den EKD-Ratsvorsitz, oder der als Favorit für die folgende sechsjährige Amtszeit gehandelte Münchner Bischof Heinrich Bedford-Strohm (54) rückt vorzeitig an die Spitze.