Erdogan in Berlin: Ein selbstbewusster Auftritt

Regierungschef Erdogan betont, die EU brauche sein Land. Merkel lehnt einen Beitritt aber weiter ab.

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Berlin. Recep Tayyip Erdogan mangelt es nicht an Selbstbewusstsein. Das hat der türkische Ministerpräsident schon häufig demonstriert. Auch bei seinem Kurzbesuch in Berlin tut er sich nicht gerade durch Bescheidenheit hervor. „Es wird unmöglich sein, das 21. Jahrhundert ohne die Türkei zu gestalten“, sagt Erdogan am Dienstag bei einem Vortrag vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die EU brauche die Türkei — ihre Wirtschaftskraft, ihr Potenzial, ihre Kontakte in die Nachbarregionen. Die Probleme, die den Regierungschef in seiner Heimat plagen, scheinen da weit weg.

Die vergangenen Monate waren wenig erfreulich für Erdogan. Da war das Aufbegehren von regierungskritischen und prowestlichen Demonstranten auf dem Taksim-Platz in Istanbul und anderswo. Nun der Korruptionsskandal: Im Raum steht die Frage, ob die staatliche Halkbank gegen Schmiergeldzahlungen half, mit Goldtransfers die internationalen Sanktionen gegen den Iran zu unterlaufen. Und auch die türkische Wirtschaft schwächelt.

Gerade die EU beäugt mit Argwohn die jüngste Gewalt gegenüber Demonstranten, das Gebaren bei Polizei und Justiz, die undurchsichtigen Wege der Macht in der Türkei. Auch um die Meinungsfreiheit ist es dort nicht allzu gut bestellt. Sollte dieser Staat Mitglied der EU werden, die seit 2005 mit der Türkei Beitrittsverhandlungen führt? Die CDU von Kanzlerin Angela Merkel sagt Nein. In dem gerade fertiggestellten Entwurf für das CDU-Wahlprogramm zur Europawahl im Mai heißt es wieder: Ja zu einer strategischen Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik. „Eine Vollmitgliedschaft der Türkei lehnen wir jedoch ab.“

Merkel selbst formuliert es etwas höflicher. Als sie nach einem Mittagessen mit Erdogan vor die Presse tritt, sagt sie, sie sehe eine Mitgliedschaft der Türkei skeptisch. Auch die rechtsstaatlichen Probleme in dem Land spricht sie in moderater Tonlage an. Merkel führt den türkischen Gast nicht öffentlich vor. Es ist aber davon auszugehen, dass sie beim Essen etwas deutlichere Worte gefunden hat.

Bei seinem Besuch wird aber deutlich, dass Erdogan nicht nur zur Beziehungspflege gekommen ist, sondern auch zum Wahlkämpfen. In der Türkei stehen im März Kommunalwahlen an und im August eine Präsidentschaftswahl.

Das Staatsoberhaupt wird erstmals vom Volk gewählt, und erstmals sollen auch Auslandstürken problemlos abstimmen können. Rund drei Millionen Menschen türkischer Herkunft leben in Deutschland. Etwa die Hälfte ist in der Heimat wahlberechtigt. Erdogan ist also auch zum Stimmenfang in Berlin, möglicherweise kandidiert er selbst für das Präsidentenamt. Für den Abend war eine große Wahlkampfveranstaltung in Berlin angesetzt.