G20-Gipfel Erdogan und Trump stellen Pariser Klimaabkommen infrage
Hamburg (dpa) - Im Streit mit den anderen G20-Staaten um den Klimaschutz hat US-Präsident Donald Trump einen Verbündeten gefunden: Überraschend stellte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nach dem Gipfel in Hamburg die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens durch sein Land infrage.
Er habe Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mitgeteilt: „Solange die Versprechen, die man uns gegeben hat, nicht gehalten werden, werden wir das in unserem Parlament auch nicht ratifizieren.“
Damit scherte Erdogan aus der Front der Top-Wirtschaftsmächte aus, die Trump zuvor isoliert hatten. Sein Abrücken steht auch im Widerspruch zu der Abschlusserklärung, in der sich die „G19“ - und damit auch die Türkei - nachdrücklich zum Abkommen von Paris und dessen „zügiger“ Umsetzung bekannt hatten.
Erdogan stellte in Zweifel, dass die restlichen G20-Staaten in dieser Frage geschlossen gegen die USA stünden. Auch andere Staaten hätten nicht ihre volle Unterstützung für das Abkommen erklärt. „Bei allen gibt es Probleme.“ Erdogan fügte hinzu: „Insofern geht nach diesem Schritt von Amerika unser Standpunkt im Moment in die Richtung, dass es vom Parlament nicht ratifiziert wird.“
Sollte die Türkei zu den Industriestaaten gezählt werden, müsste sie in einen künftigen Umweltfonds des Abkommens einzahlen, statt daraus Geld zu erhalten. Klimaschützer hatten schon befürchtet, dass Trump die Türkei oder Saudi-Arabien auf seine Seite ziehen könnte. Trump hatte Erdogan am Rande des Gipfels getroffen.
Das Kommuniqué war erst nach langem Ringen über den Klimaschutz fertig geworden. Die Differenzen mit den USA seien „nicht zugekleistert“ worden, sagte Merkel. „Da, wo es keinen Konsens gibt, muss im Kommuniqué auch Dissenz erscheinen.“ Die gegensätzlichen Positionen der USA und der anderen ließen sich „wunderbar auseinanderhalten.“ Merkel erwähnte die von Erdogan nach eigenen Angaben geäußerten Bedenken mit keinem Wort.
Um den Klimaschutz voranzubringen, kündigte Fankreichs Präsident Emmanuel Macron an, am 12. Dezember in Paris einen „Etappengipfel“ abzuhalten - auch um über Finanzierungsinstrumente zu sprechen. Er nannte den Ausstieg der USA aus Paris einen „großen Fehler“.
In dem Kommuniqué nehmen die anderen G20-Mitglieder die Abkehr der USA vom gemeinsamen Klimaschutz nur „zur Kenntnis“. Dem amerikanischen Wunsch nach Neuverhandlungen wird eine klare Absage erteilt, indem das Abkommen als „unumkehrbar“ bezeichnet wird, was Merkel ausdrücklich begrüßte. Als Entgegenkommen an Trump wurde ein Satz aufgenommen, dass die USA anderen helfen wollten, „auf fossile Brennstoffe zuzugreifen und sie sauberer und effizienter zu nutzen“.
Die Formulierung war strittig, weil fossile Energien eigentlich auslaufen müssen, um die Ziele des Pariser Abkommen einer Erderwärmung von deutlich unter zwei Grad erreicht werden sollen. Merkel betonte, dass sich die anderen diese Position der USA „ausdrücklich nicht zu eigen machen“.
Klimaschützer wiesen darauf hin, dass sich die USA in dem Text aber zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen bekennen. „Der Versuch der US-Regierung, einen Freifahrtschein für fossile Exporte zu erhalten, wurde eingedämmt, da die USA im gemeinsamen Abschnitt aller G20-Staaten die globalen Nachhaltigkeitsziele als Rahmen für die Energietransformation akzeptieren“, sagte Christoph Bals von Germanwatch. Damit akzeptierten die USA, dass bis 2030 der Anteil erneuerbarer Energien substanziell wachsen und sich das Tempo der Energieeffizienz verdoppeln soll.
Allerdings war auch mehr Ehrgeiz erwartet worden. Der Gipfel hätte ein Zeichen senden müssen, dass die Top-Wirtschaftsmächte den Ausstieg aus Kohle, Öl, und Gas beschleunigten, sagte die Geschäftsführerin von Greenpeace, Sweelin Heuss. Die Kanzlerin dürfe den deutschen Kohleausstieg nicht noch länger hinauszögern. Auch der Experte Jan Kolwazig von Oxfam vermisste „neuen Schwung“, weil die Selbstverpflichtungen unter dem Pariser Abkommen nicht ausreichten.