Bundesverfassungsgericht Es wird ernst im NPD-Verfahren

Karlsruhe (dpa) - Wird die NPD nun verboten - oder wird sie es nicht? Die Antwort bringt der 17. Januar. Seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten, ist keine Urteilsverkündung am Bundesverfassungsgericht mehr mit so viel Spannung und Spekulation erwartet worden.

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Das Absurde ist nur: Der Termin holt eine Partei zurück ins Rampenlicht, die in der politischen Landschaft derzeit keine sichtbare Größe ist.

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2013, als die Länder über den Bundesrat den Verbotsantrag (Az. 2 BvB 1/13) auf den Weg bringen, ist die Welt noch eine andere. Das Entsetzen darüber, dass der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) in Deutschland über Jahre unbehelligt Menschen ermorden konnte, ist frisch. Das politische Gesicht des Rechtsextremismus ist die NPD. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern mischt die in den 2000er Jahren erstarkte Partei mit mehreren Abgeordneten in der Landespolitik mit.

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Noch gibt es keine Pegida-Bewegung, keine Flüchtlingskrise. Niemand ahnt, dass eine Partei namens AfD zum Auftakt des Jahres 2017 in bundesweiten Umfragen klar über die Zehn-Prozent-Marke kommen wird. Heute sieht es so aus, als ob die NPD in diesen Umwälzungen ganz von selbst unter die Räder gekommen ist. Im September ist sie in Schwerin aus dem letzten Landtag geflogen. Die AfD holte 20,8 Prozent.

Was also, so fragen sich viele, soll jetzt noch ein Parteiverbot? Und wäre es vor dem Grundgesetz überhaupt zu rechtfertigen?

Nicht ohne Grund nennt Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle zum Auftakt der drei Verhandlungstage im März 2016 das Verbotsverfahren ein „ebenso scharfes wie zweischneidiges Schwert, das mit Bedacht geführt werden muss“. Scharf, denn: Eine verbotene Partei muss sich auflösen, ihre Mandate abgeben, kann ihr Vermögen verlieren. Zweischneidig, denn: Müsste die Demokratie nicht stark genug sein, sich anders zu wehren? Die Verhandlung hat aufgedeckt, wo die Probleme liegen.

Ja, da sind die Momente, in denen die NPD mit ihrem Anwalt Peter Richter die Maske fallen lässt und ihr hässliches Gesicht zeigt. Dann ist das Gerede von „Abstammungsdeutschen“, „Ermessenseinbürgerung“ und dem Islam als einer „fremdkörperhaften Aggressionsreligion“ für viele nur schwer zu ertragen. Der Dresdner Extremismusforscher Steffen Kailitz, ein Verbotsbefürworter, trägt dem Zweiten Senat vor, wie die NPD bei ihrer geplanten „Ausländerrückführung“ acht bis elf Millionen „nicht germanischstämmige“ Menschen aus Deutschland vertreiben will.

Aber haben die Rechtsextremen die Kraft, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen? Für die Richter scheint das die zentrale Frage. Denn das Grundgesetz erlaubt allein das Verbot von Parteien, die „darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen“. Festgemacht wird das seit den 1950er Jahren an einer „aktiv kämpferischen, aggressiven Haltung“. Das Straßburger Menschenrechtsgericht verlangt sogar Hinweise darauf, dass ein unmittelbar bevorstehender Angriff auf die Demokratie droht.

Die NPD hat gut 5000 Mitglieder und kämpft gegen den Ruin. Entsprechend kritisch hinterfragten die Richter den Verbotsantrag: Warum ausgerechnet jetzt, wo die Verfassungsschutzberichte das Bild einer kaum handlungsfähigen Partei im Niedergang zeichnen? Hält die NPD bundesweit nicht nur 0,15 Prozent aller Kommunalmandate? Und vor allem: Wenn die Partei so gefährlich ist - warum gelingt es ihr dann nicht, aus der Flüchtlingskrise sichtbar Profit zu schlagen?

Ein Verbot müssten mindestens sechs Richter mittragen - eine Maßgabe, die umso schwerer wiegt, als Herbert Landau in der Zwischenzeit ausgeschieden ist. Der Senat entscheidet deshalb zu siebt statt zu acht. Nur ein einziger Richter dürfte anderer Meinung sein.

Es kommt also nicht allzu überraschend, dass sich kurz vor der Urteilsverkündung Berichte mehren, die auf ein mögliches Scheitern des Verfahrens einstimmen. Die „Bild“-Zeitung zitiert aus einer internen Einschätzung der Bundesregierung, wonach diese die NPD nicht für ausreichend gefährlich hält. Und auch die Initiatoren aus den Ländern scheinen nicht mehr recht an ihre Sache zu glauben. Zumindest gibt die „Berliner Zeitung“ einen nicht näher bezeichneten Insider mit den Worten wieder: „Wir sind nicht wahnsinnig optimistisch.“

Politisch wäre das einigermaßen blamabel. Denn schon der erste NPD-Verbotsantrag führte nicht zum Erfolg - 2003 platzte das Verfahren, weil ans Licht kam, dass die Partei bis in die Spitze mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt war. Aus diesen Fehlern immerhin hat man gelernt: Dieses Mal sahen die Richter die Voraussetzungen erfüllt, um die Sache bis zu einem Urteil zu prüfen.

Schon deshalb dürfte am Ende weit mehr stehen als ein „Persilschein“ für die NPD, wie Kritiker eines neuen Anlaufs immer gewarnt haben. Zuletzt hat Karlsruhe 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten, mit 308 Druckseiten das bis heute längste Urteil. Der Senat dürfte die Herausforderung annehmen, in ähnlichem Umfang neue Maßstäbe dafür zu entwickeln, wie die Demokratie heute mit Parteien umgehen will, die ihre Freiräume über die Maßen strapazieren.