Etat 2012 steht: 26,1 Milliarden neue Schulden
Berlin (dpa) - Dämpfer für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bei der Sanierung der Staatskassen: Nach einem deutlichen Defizitabbau in diesem Jahr stellt sich der Bund 2012 wieder auf mehr neue Schulden ein.
Zwar drückten die Haushaltspolitiker der schwarz-gelben Koalition die Nettokreditaufnahme gegenüber Schäubles Entwurf um 1,1 Milliarden auf 26,1 Milliarden Euro. Die vom Bundestags-Haushaltsausschuss am frühen Freitagmorgen beschlossene Neuverschuldung liegt damit aber voraussichtlich über den für dieses Jahr erwarteten neuen Krediten.
In diesem Jahr wird dank Wirtschaftsbooms und sprudelnder Steuereinnahmen mit einer Neuverschuldung des Bundes von etwa 22 Milliarden Euro gerechnet. Das ist deutlich weniger als die ursprünglich veranschlagten 48,4 Milliarden Euro.
Die Opposition warf Schwarz-Gelb mangelnden Sparwillen vor. Die Rekordsteuereinnahmen, niedrige Zinsen und geringere Arbeitsmarkt-Kosten seien nicht zu einer stärkeren Senkung der Neuverschuldung genutzt worden. Finanzminister Schäuble habe jede Autorität verwirkt, andere Euro-Länder zum Sparen aufzufordern.
Union und FDP wiesen dies als unseriös und unredlich zurück und betonten zugleich, dass die strengen Vorgaben der Schuldenbremse bei weitem übererfüllt würden. Auch werde am Ende eines jeden Jahres abgerechnet. So könnten sich sowohl 2011 als auch 2012 mit der Schlussrechnung Änderungen bei der Neuverschuldung ergeben.
Der schwarz-gelben Koalition machen nicht nur Konjunkturabkühlung und zusätzliche Risiken durch die Euro-Schuldenkrise zu schaffen. Zu Buche schlagen auch zusätzliche Kosten nach den Beschlüssen der Koalitionsspitzen. Das betrifft zusätzliche Verkehrsinvestitionen, bisher nicht eingeplante Kosten beim Weihnachtsgeld für Beamte, Ausfälle bei der Atomsteuer sowie eine Risikoabschirmung für den Staatseinstieg bei EADS.
In den fast zehnstündigen Schlussberatungen der sogenannten Bereinigungssitzung wurden die Gesamtausgaben des Bundes auf jetzt 306,2 Milliarden Euro festgeschrieben. In Schäubles Entwurf waren 306 Milliarden Euro vorgesehen. Unter dem Posten „Sonstige Einnahmen“ - darunter fallen auch Privatisierungserlöse - sind nun 30,91 Milliarden vorgesehen statt bisher 31,45 Milliarden Euro.
In den Etatberatungen wurde die geplante Übernahme von 7,5 Prozent der Anteile am Luft- und Raumfahrtkonzern EADS durch die Staatsbank KfW mit bis zu einer Milliarde Euro abgesichert. Mit der Verpflichtungsermächtigung soll sichergestellt werden, dass alle Risiken aus der Transaktion vom Bund übernommen werden könnten. Dies betrifft Kursänderungen oder Lasten bei der Refinanzierung der KfW.
Die von Schwarz-Gelb veranschlagten Privatisierungserlöse von etwas mehr als fünf Milliarden Euro stehen aus Sicht der Opposition auf tönernen Füßen und sind eher ein Feigenblatt. Davon seien 3,5 Milliarden Euro echt hinterlegt, der Rest Luftbuchungen.
SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider kritisierte: „Die Bilanz der Haushaltsberatungen ist ein Armutszeugnis.“ Trotz steigender Steuereinnahmen werde der Finanzminister im nächsten Jahr mehr Schulden aufnehmen als in diesem Jahr. „Herr Schäuble ist vollkommen gescheitert.“ Während der Minister in Europa vollmundig fordere, die öffentlichen Finanzen in Ordnung zu bringen, lasse er „bei sich zu Hause den Schlendrian einziehen“, sagte Schneider.
Priska Hinz von den Grünen sieht in der höheren Neuverschuldung im Vergleich zum Jahr 2011 einen Verstoß gegen die Schuldenbremse. „Sämtliche Steuermehreinnahmen werden verausgabt.“ Nach Ansicht von Gesine Lötzsch (Linke) sind zahlreiche Risiken nicht abgebildet. Mit ihrem Etat „schlittert die Koalition kopflos in den Abschwung“.
Nach den Worten von Unions-Haushälter Norbert Barthle kann kein Mensch jetzt vorhersagen, wie die Neuverschuldung dieses Jahr und Ende 2012 aussehen werde. „Es müssen immer die Soll-Zahlen und die Ist-Zahlen miteinander verglichen werden.“ 2012 sei ein stärkeres Wirtschaftswachstum möglich als das unterstellte Plus von einem Prozent. Die Koalition bleibe 2012 unter der laut Schuldenbremse maximal erlaubten Neuverschuldung von 40,5 Milliarden Euro.
Auch der haushaltspolitische FDP-Sprecher Otto Fricke verwies auf eine möglicherweise günstigere Entwicklung bei Zinsen, Beschäftigung und Sozialkassen im Jahresverlauf. Es sei besser, am Ende günstiger dazustehen, als den Etat zu korrigieren. Fricke sprach mit Blick auf die Vorsorge von einem realistischen Haushalt. Die 1,1 Milliarden Euro geringere Neuverschuldung sei durch Anpassungen bei den Zins- und Sozialkosten erreicht worden sowie durch Einsparungen über die „gesamte Bandbreite“.