EU-Spitzenjobs gehen an Mogherini und Tusk
Brüssel (dpa) - Die Europäische Union hat für die nächsten Jahre eine neue Führung. Der EU-Sondergipfel bestimmte den polnischen Regierungschef Donald Tusk (57) zum neuen EU-Ratspräsidenten. Die italienische Außenministerin Federica Mogherini (41) soll neue EU-Außenbeauftragte werden.
Das Europaparlament hatte schon Mitte Juli den Luxemburger Jean-Claude Juncker (59) zum neuen EU-Kommissionspräsidenten gewählt.
Tusk und Mogherini bekamen „volle Unterstützung“ des Gipfels, resümierte EU-Ratschef Herman Van Rompuy, der Ende November ausscheiden wird. „Tusk und Mogherini werden bei allen internationalen Angelegenheiten zusammenarbeiten, um Europas Interessen und Werte zu verteidigen.“
Die EU ist zur Zeit von außenpolitischen Krisen umgeben, von der Ukraine über Syrien und Irak bis hin zu Libyen. Der Sondergipfel beriet auch über das weitere Vorgehen in der Ukraine-Krise. Neue Sanktionen gegen Moskau sind dabei ein Thema.
Kanzlerin Angela Merkel begrüßte die Ernennung Tusks. Der Liberalkonservative sei ein „leidenschaftlicher, überzeugter und überzeugender Europäer“.
Tusk, der als Vertrauter Merkels gilt, tritt am 1. Dezember sein Amt an. Laut Merkel ist auch ein Verdienst Tusks, dass die deutsch-polnischen Beziehungen so eng seien wie lange nicht. „Europa steht vor großen Herausforderungen“, sagte Merkel, auch mit Blick auf den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland.
Europas Chefs einigten sich relativ schnell auf das Personalpaket. Mit Tusk kommt erstmals ein Vertreter der neuen EU-Länder aus der Mitte und dem Osten zum Zuge. Vor sechs Wochen war ein erster Versuch, sich auf die Besetzung der beiden Jobs zu einigen, noch gescheitert.
Mit dem Gipfelbeschluss nimmt auch die neue Juncker-Kommission Konturen an. Mogherini, die als Außenbeauftragte der Britin Catherine Ashton nachfolgt, wird auch zur Stellvertreterin des Luxemburgers in der Kommission. Sie muss allerdings - im Rahmen einer Abstimmung über die gesamte neue Kommission - noch vom EU-Parlament bestätigt werden. Das Mandat für Tusk läuft über zweieinhalb Jahre und kann verlängert werden. Der Pole wird auch die Gipfeltreffen der Eurozone leiten, obwohl sein Land bisher die Gemeinschaftswährung nicht einführte.
Tusk sagte mit Blick auf die Debatte um die EU-Wirtschaftspolitik, Wachstum und Sparen seien kein Widerspruch. Er wolle Großbritannien in der EU halten. „Die Zukunft der EU besteht nicht darin, sie kleiner zu machen.“ Als seine vordringliche Aufgabe sieht der seit 2007 in Warschau amtierende Tusk eine gemeinsame EU-Linie in der Ukraine-Krise an. Der Pole ist in seinem neuen Amt für die inhaltliche Vorbereitung und die Leitung der EU-Gipfel zuständig.
Beide Personalentscheidungen waren lange umstritten. Tusk wurden fehlende Englischkenntnisse vorgeworfen. Er versprach, im Dezember „100-prozentig bereit“ zu sein. Mogherini gilt als relativ unerfahren. Osteuropäische Politiker halten sie zudem für zu russlandfreundlich.
Die Besetzung der anderen Posten in der Kommission ist noch offen. Das Europaparlament bemängelt, dass die Hauptstädte nicht genügend Frauen in das Spitzengremium entsenden wollen und droht, notfalls die neue Kommission zu blockieren.
Zum Auftakt des Treffens sprachen die Staats- und Regierungschefs mit dem ukrainische Präsidenten Petro Poroschenko. Er warnte vor irreparablen Schäden durch den Konflikt im Osten seines Landes. „Ich denke, dass wir sehr kurz vor einem Punkt ohne Wiederkehr stehen.“ Er fügte hinzu: „Der Punkt ohne Wiederkehr ist umfassender Krieg. Auf dem von den Separatisten kontrollierten (ukrainischen) Gebiet ist dies schon geschehen.“
„Wir sollten die Sanktionen vertiefen“, forderte EU-Parlamentschef Martin Schulz. Laut vorbereiteter Abschlusserklärung ist der Europäische Rat bereit, im Lichte der Entwicklung in der Ukraine „weitere Schritte zu ergreifen“ und bittet die EU-Kommission und den Europäischen Diplomatischen Dienst, diese vorzubereiten. Diese eher zurückhaltenden Formulierungen könnten aber noch verschärft werden, meinten Diplomaten. Das Papier liegt der Nachrichtenagentur dpa vor.
Finnlands Regierungschef Alexander Stubb sagte, es seien Verbote möglich bei Waffenausfuhren, Finanzdienstleistungen oder Gütern, die auch militärisch eingesetzt werden könnten. Er nannte auch den Energie-Bereich, ohne auf Details einzugehen. Der Westen wirft Russland vor, reguläre Truppen in die Ostukraine geschickt zu haben, die dort auf Seiten der Aufständischen kämpfen.
Die EU hat bereits Wirtschaftssanktionen verhängt. Ende Juli erschwerte sie unter anderem den Zugang russischer Banken zu den EU-Finanzmärkten und untersagte bestimmte Hochtechnologie-Exporte.
Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite gab sich als Hardlinerin. Sie plädierte für eine militärische Unterstützung der Ukraine. „Wir müssen militärisch unterstützen und militärisches Material in die Ukraine senden“, forderte die Litauerin.