Analyse Die NRW-Perspektive auf die Europawahl
Düsseldorf · SPD-NRW-Chef Sebastian Hartmann geht mit seiner Partei hart ins Gericht. Die CDU entdeckt das Klima, die Grünen jubeln. Ministerpräsident Armin Laschet lässt sich Zeit. Eine Analyse.
Die Probleme mit einer demokratischen Wahl waren in NRW am Sonntag zunächst reichlich profan. Sie handelten von Menschen, die Probleme hatten, ihre Stimme rechtzeitig abzugeben: Wahlberechtigte Rumänen standen in Düsseldorf, Köln und vor allem in Bochum in Scharen vor den Konsulaten, sie stimmten zeitgleich über ein Referendum zur rumänischen Justizreform ab. Bis 20 Uhr hatten wohl rund 500 Rumänen dort noch nicht wählen können. Und in Wuppertal-Cronenberg kam der Wahlvorstand zwar pünktlich am Morgen um 8 Uhr ins Wahllokal, nicht aber an die in einem anderen Raum verschlossen aufbewahrten Wahlkabine und Wahlurne – der Schlüsseldienst musste helfen, mit einer Stunde Verspätung ging es los, bis dahin hatte es schon Beschwerden von verhinderten Wählern gegeben.
Ob das Chaos grüne Stimmen gekostet hat, ist nicht überliefert, einem starken Ergebnis auch in NRW für die aufstrebende Umwelt-Partei tat das aber keinen Abbruch. Die Landesvorsitzenden Mona Neubaur und Felix Banaszak feierten „ein grandioses Ergebnis. Erstmals in der Geschichte unseres Landes zeichnet sich ab, dass wir zweitstärkste Kraft in NRW werden.“
Die Europawahl habe gezeigt, „dass unser Land umsteuert und die Klimakrise endlich mit Taten statt mit Worten bekämpft – bei der Energieerzeugung, im Verkehr und in der Landwirtschaft“.
Das Wahlergebnis sei „Chance und Verantwortungsauftrag zugleich“. Für die NRW-Politik heißt das: Die Grünen wollen sich „noch stärker dafür einsetzen, dass grüne Inhalte in ganz NRW zum Tragen kommen“.
Kutschaty: Das Ergebnis kann man nicht schönreden
Während CDU-Landeschef Armin Laschet sich vor seinem TV-Auftritt bei „Anne Will“ am späten Sonntagabend in der ARD gar nicht äußerte, meldete sich NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) bei Twitter: Die Zahlen könnten nicht zufrieden stellen, das Thema Klima sei prägend gewesen. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser sagte bei Twitter: „Wenn die Klimapolitik ein wichtiges, wenn nicht entscheidendes Zukunftsthema der Bürger ist, muss die Politik dies ernst und aufnehmen!“
Derweil hatte die tief enttäuschte SPD Redebedürfnis: Sebastian Hartmann forderte als Vorsitzender der NRW-SPD eine „tiefgreifende Debatte“ von seiner Partei: „Platz drei für die SPD – hinter den Grünen – bei einer bundesweiten Wahl verändert die politische Tektonik der Republik weiter.“
Zusammenhalt und Orientierung benötige man jetzt, sagte Hartmann am Abend. Hartmann will aber auch eine Kursumkehr: „All dies führt zwangsläufig dazu, dass zentrale Weichen zukünftig grundlegend anders gestellt werden müssen. Die Parteiführung ist jetzt gefordert, den strategischen Kurs neu zu bestimmen.“
Die NRW-SPD will offenbar nach dieser Europawahl Treiber der Entwicklungen in Berlin sein, das Ergebnis sei nicht „schönzureden“, sagte auch SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty.
Laut Hartmann müsse sich die SPD folgende Fragen stellen lassen: „Will sie die Partei der Arbeit und die zentrale politische Kraft der solidarischen Mitte sein? Was tut sie konkret, um endlich wieder gerechten Zugang zu Arbeit, Mobilität, Wohnen und Gesundheit zu organisieren für die Vielen, die dies brauchen, nicht für die Wenigen? Wie verdeutlichen wir unsere sozial-gerechte Klimaschutzpolitik?“