Meinung Rezos Video ist auch eine Antwort auf 13 Jahre Merkel
Meinung | Berlin · Dass die Resonanz auf die Kritik des Youtubers Rezo so groß ist, hat auch mit der Kanzlerschaft Angela Merkels zu tun. Die großen Parteien müssen viel stärker auf junge Menschen eingehen.
Es ist faszinierend, wie leicht sich Politiker von jungen Leuten aus dem Tritt bringen lassen, sobald der Protest Formen annimmt, die sie nicht kennen. FDP-Chef Christian Lindner empfahl Greta Thunbergs „Fridays for future“-Bewegung hochnäsig, lieber „Profis“ an den Klimaschutz zu lassen. Und zeigte damit, wie alt er ist.
Die CDU drehte als Antwort auf die Wutrede des Youtubers Rezo zunächst ein Gegenvideo mit einem Hinterbänkler, bis sie merkte, dass das wohl nicht die richtige Antwort auf fünf Millionen Klicks ist. Dann sagte Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer ebenso belustigt wie beleidigt, nun sei die Union wohl auch noch für die sieben biblischen Plagen verantwortlich.
Hier leben zwei Welten aneinander vorbei. Dass es eine Kluft zwischen der Politik und der Jugend gibt, ist nicht neu. Die Schüler- und Studentenbewegung wollte mehr Demokratie im verkrusteten Nachkriegsdeutschland durchsetzen. Die Friedens- und Anti-Atom-Bewegung ging aus Angst vor der nuklearen Bedrohung auf die Straße. Beide durchbrachen Regeln, aber sie erreichten Veränderung. Rezo wie Greta Thunberg verlangen von der Politik, was sie am häufigsten verspricht und am seltensten schafft: Nachhaltigkeit.
Die Parteien reden von „Zukunft“, blicken in der Praxis aber nur von Wahl zu Wahl. Deshalb haben sie bei der Jugend ein Glaubwürdigkeitsproblem. Wer heute 20 ist, hat noch 60 oder gar 80 Jahre zu leben, das ist eine andere Perspektive. Würde die etablierte Politik die Sorgen der Jugend gleich stark empfinden und nicht nur so tun, wären ihre Entscheidungen vielleicht, ihre Debatten ganz sicher anders.
Das Video ist kein objektiver, journalistischer Beitrag, es ist eine mit teilweise einseitigen Fakten untermauerte Anklage. Rezo will zeigen, wie sehr die CDU beim Klimaschutz, bei der sozialen Gerechtigkeit und in anderen Bereichen das Prinzip Nachhaltigkeit und die eigenen Beschlüsse verletzt hat. Dass die Resonanz darauf so groß ist, ist auch ein Kommentar zu 13 Jahren Merkel-Politik. Die Kanzlerin hat viele Rücksichten genommen und oft laue Kompromisse gemacht.
Auch die SPD hätte die Kritik erwischen können, die FDP sowieso. Nur die Grünen nicht, die Nachhaltigkeit immer buchstabieren konnten. Aber die haben auch nicht regiert und mussten ihre Glaubwürdigkeit kaum beweisen. Die Kritisierten sollten nicht versuchen, den Vertreter dieser Anklage zu verunglimpfen. Sie sollten sich fragen, warum der Beitrag so vielen jungen Menschen gefällt und sich mit der Kritik auseinandersetzen.
Ein bisschen „Wir haben verstanden“ wäre die bessere Antwort als die, die AKK gegeben hat. Zumal, Faktencheck, die Bibel zehn Plagen kennt.