Urteil in Würzburg Facebook muss Hetz-Beiträge nicht aktiv suchen und löschen
Würzburg (dpa) - Facebook muss in seinem Netz weiterhin nicht von sich aus aktiv nach rechtswidrigen Inhalten suchen und sie löschen. Ein syrischer Flüchtling, dessen Selfie mit Bundeskanzlerin Merkel für Hasskommentare und falsche Anschuldigungen missbraucht wurde, unterlag mit seinem Antrag auf einstweilige Verfügung.
Der 19-Jährige syrische Flüchtling Anas M. muss nach dem Urteil des Landgerichts Würzburg weiterhin selbst verleumderische Beiträge gegen ihn suchen und sie Facebook melden.
Facebook habe sich die Verleumdungen von Dritten nicht zu Eigen gemacht und könne deshalb nicht zu einer Unterlassung gezwungen werden, begründete der Vorsitzende Richter der Ersten Zivilkammer sein Urteil am Dienstag.
Die Klärung, ob dem weltgrößten Online-Netzwerk bei einer schweren Verletzung der Persönlichkeitsrechte dennoch ein erhöhter Suchaufwand zugemutet werden könne, sprenge hingegen „eindeutig den Rahmen eines Verfügungsverfahrens“. Das würde deshalb in einem Hauptsacheverfahren durch Gutachten geklärt werden müssen, so der Richter.
Ob es zu einem Hauptsacheverfahren kommen wird, stand am Dienstagnachmittag zunächst nicht fest. Anas M. war am Nachmittag zunächst nicht erreichbar. Klar war lediglich, dass sein Anwalt, der Würzburger IT-Jurist Chan-jo Jun, sein Mandat in der Sache abgeben wird. Das habe er mit seiner Familie gemeinsam entschieden. Unbekannte hätten ihm Gewalt angedroht, wenn er nicht sofort das Vorgehen gegen Facebook beende, erklärte der Anwalt noch vor dem Verfahren.
Fotomontagen mit dem Merkel-Selfie stellten Anas M. fälschlicherweise als Terrorist und Attentäter dar. Sie brachten ihn mit dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt und die Attacke auf einen Obdachlosen in München in Verbindung. Der Flüchtling forderte deshalb von Facebook nicht nur den Originalbeitrag, sondern auch alle Duplikate zu löschen. Weil der Konzern das nicht gänzlich tat, klagte der Flüchtling auf Unterlassung.
Jun sieht nun vor allem den Gesetzgeber in der Pflicht, weil Appelle an die Freiwilligkeit nicht ausreichten, zum Beispiel mit hohen Geldstrafen. Es müsse Unternehmen wie Facebook finanziell weh tun, geltendes Recht zu verletzen. Wenn Facebook nicht weiterhin machen dürfe, was es wolle, brauche es andere Gesetze - auf deutscher wie auf europäischer Ebene.
Facebook betonte in einer ersten Reaktion, man habe schnell den Zugang zu allen korrekt gemeldeten Inhalten blockiert und werde dies auch weiterhin tun. Das Unternehmen verstehe zugleich, dass es für den Flüchtling „eine schwierige Situation“ sei.