Kritik an Großübung Soldaten proben mit Polizei Kampf gegen Terror
Berlin (dpa) - Bundeswehr und Polizei proben in einer Großübung in sechs Bundesländern den gemeinsamen Kampf gegen den Terror im Inland. Die erste Übung dieser Art lief heute in sechs Bundesländern an.
Dabei werden bis Donnerstag zeitgleiche Anschläge in mehreren deutschen Städten simuliert - aber nur in der Theorie. Kommunikation und Alarmketten sollen getestet werden. Besonders brisant: Die Soldaten dürfen dabei im Inland auch erstmals hoheitliche Aufgaben wie die Anwendung von Gewalt übernehmen.
Bundeswehr und Polizei müssen nach Ansicht von Bundesinnenminister Thomas de Maizière auch auf extreme Terroranschläge in Deutschland vorbereitet sein. „Für mich ist wichtig, dass wir uns auf Undenkbares vorbereiten, damit in einer solchen Lage verantwortungsvoll, entschlossen und zusammenwirkend agiert werden kann“, sagte der CDU-Politiker in Berlin kurz nach Beginn der Anti-Terror-Übung. Eine solche Übung sei wichtig, damit „alle für einen Fall lernen, der hoffentlich nie eintritt“. Meldewege müssten funktionieren, die Stäbe müssten bei ihrem Handeln voneinander wissen. „Die Räder müssen ineinander greifen“, sagte der Minister.
An der Übung sind 360 Soldaten beteiligt. De Maizière zufolge geht das Szenario davon aus, dass es in einigen Nachbarländern großflächige Anschläge nach dem Vorbild des Mumbai-Anschlags gegeben hat. In der indischen Finanzmetropole Mumbai (früher: Bombay) hatten im November 2008 zehn Terroristen das Hotel Taj Mahal, ein jüdisches Zentrum und einen Bahnhof angegriffen. Die Anschläge und Kämpfe, die drei Tage dauerten, forderten mindestens 166 Todesopfer und Hunderte Verletzte.
In Deutschland beginnen dem Szenario zufolge ähnliche Anschläge etwa in Bremen, Düsseldorf oder München. „Und dann kommen wir zu einem Punkt, wo spezielle Fähigkeiten der Bundeswehr abgefragt werden“, sagte de Maizère.
„Die aktuellen Entwicklungen zwingen uns, hier weiter zu denken. Wir haben gemeinsam erkannt, dass wir so handlungsfähig wie möglich sein müssen“, sagte der sächsische Innenminister und Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Markus Ulbig (CDU). „Wenn es hierzulande zu einer großen Terrorlage wie zum Beispiel in Paris im November 2015 käme, dann müssen wir den Ernstfall trainiert haben.“
Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist seit Jahren umstritten. Das Grundgesetz erlaubt diesen nur in Ausnahmefällen. Kritiker befürchten eine Ausweitung der Bundeswehrkompetenzen. „Die Bundeswehr ist keine schwerbewaffnete Hilfspolizei und kann nicht mehr ausrichten als die Polizei - es sei denn, es geht um einen anderen Zweck bei der Sache“, kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Tobias Pflüger. Die Übung könne eine „Büchse der Pandora“ öffnen.
Bund und Länder agierten nach Ansicht der innenpolitischen Sprecherin der Partei, Ulla Jelpke, an der „Grenze zum Verfassungsbruch“. „Auch wenn es sich nur um eine Übung am Schreibtisch handelt: Diese Übung ist ein Beitrag zur Militarisierung der Gesellschaft.“
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, nannte die Übung verantwortungslos. „Mit der gemeinsamen Übung wird auf unverantwortliche Weise der Grundsatz in Frage gestellt, dass die innere Sicherheit Hoheitsaufgabe der Polizei ist“, sagte Mihalic der „Rheinischen Post“ (Dienstag).
Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte, die klare Trennung von äußerer und innerer Sicherheit weiterhin beizubehalten. Ein Anschlag bleibe eine rein polizeiliche Lage, sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende Ernst Walter. „Die Polizei muss jetzt flächendeckend endlich so ausgestattet werden, dass sie personell wie materiell auf solche Ausnahmelagen angemessen reagieren kann.“
„Es gibt verfassungsmäßige Beschränkungen, die wir selbstverständlich einhalten“, sagte de Maizière. Die Übung erfolge auf Grundlage der Verfassung. Die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inland sollen damit nicht ausgeweitet werden. „Und wenn die Verfassung diese Möglichkeiten gibt und ein solches Übungsszenario nicht völlig unwahrscheinlich ist, dann sind wir gut beraten, das auch gemeinsam zu üben.“