Fast jeder fünfte PISA-Schüler versagt bei leichten Aufgaben

Berlin (dpa) - Trotz spürbarer Verbesserungen im Bildungssystem nach dem „PISA-Schock“ vor 15 Jahren gilt in Deutschland immer noch fast jeder fünfte fünfzehnjährige Schüler als zumindest teilweise äußerst leistungsschwach.

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Und nach wie vor ist der soziale Hintergrund eines Jugendlichen hierzulande ein entscheidender Risikofaktor für solches Schulversagen. Dies geht aus einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit Daten der PISA-Tests bis 2012 hervor.

Gut 140 000 Fünfzehnjährige in Deutschland erreichten demnach in diesem Zeitraum im Fach Mathematik bestenfalls das Kompetenzniveau 1, fast 70 000 Getestete waren sogar sehr schwach in allen drei PISA-Vergleichsfeldern (Mathematik, Naturwissenschaften, Lesen und Textverständnis). „Kompetenzniveau 1 - das sind wirklich allereinfachste Aufgaben“, sagte OECD-Chefkoordinator Andreas Schleicher. „Es gibt einen relativ hohen Anteil Schüler, die nicht einmal dieses elementarste Niveau erreichen.“ Die OECD unterteilt den Kompetenzstand von Schülern in Stufen zwischen 0 und 6.

Gleichwohl sei der Bereich der Problemschüler „ein Feld, wo sich in Deutschland einiges bewegt hat“, sagte der oft als „PISA-Papst“ bezeichnete Bildungsforscher Schleicher. Und dies sei auch messbar. So ging der Anteil der Mathe-Schwachen zwischen PISA 2003 und 2012 um vier Prozentpunkte auf 18 Prozent zurück, in Lesen/Textverständnis um acht Punkte auf 14 Prozent. In Naturwissenschaften veränderte sich jedoch seit 2006 nichts mehr zum Positiven, der Problemschüler-Anteil lag zuletzt noch bei 12 Prozent. Immerhin: Der OECD-Durchschnitt, den deutsche PISA-Schüler noch vor 15 Jahren insgesamt kaum erreicht hatten, war 2012 jeweils rund fünf Prozentpunkte höher.

Schwache Schulleistungen seien „nicht das Ergebnis eines einzelnen Risikofaktors, sondern einer Kombination von mehreren Hindernissen und Benachteiligungen“, so das Fazit der OECD-Studie. Daher gebe es auch mehrere Stellschrauben: Schleicher nannte frühkindliche Bildung (statt staatlicher „Prämien“ für deren Verhinderung), eine frühe Leistungsdiagnostik, verbindliche Bildungsstandards, mehr Ganztagsschulen, intensivere Aus- und Weiterbildung für Lehrer.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Claudia Bogedan, bewertete die Studie insgesamt positiv. Die Bremer Bildungssenatorin sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Es zahlt sich somit aus, dass die Kultusministerkonferenz in den vergangenen Jahren bei ihrer Arbeit einen besonderen Blick auf die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler gelegt hat, unter anderem mit einer Förderstrategie.“ Deren Umsetzung zeige „große Fortschritte, aber wir wollen natürlich den Anteil von Schülerinnen und Schülern, die keinen Schulabschluss erreichen, weiter reduzieren“, so die SPD-Politikerin.

Der Chef des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, fühlte sich durch die OECD beim Thema Hausaufgaben bestätigt: „Dass besser abschneidende Schüler auch mehr Zeit in Hausaufgaben investieren, widerlegt die Kritik an deren angeblicher Sinnlosigkeit.“ Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, forderte, „die Ressourcen für Bildung entsprechend der veränderten Lage dauerhaft zu erweitern“. Wegen steigender Anforderungen durch heterogene Schülergruppen, große Klassen und hohe Stundenzahlen stünden die Lehrer am Rande ihrer Möglichkeiten. Ilka Hoffmann vom Vorstand der Bildungsgewerkschaft GEW sagte, statt sich dem Gerechtigkeitsproblem konsequent zu stellen, engagiere sich die KMK neuerdings besonders für Hochbegabte - dies sei der falsche Weg.

Am sechsten PISA-Test nahmen 2015 in Deutschland rund 10 000 Schüler teil. Die Ergebnisse werden am 6. Dezember veröffentlicht.