FDP-Debakel an der Saar verunsichert Schwarz-Gelb
Berlin/Saarbrücken (dpa) - Muss sich Kanzlerin Merkel bald einen neuen Regierungspartner suchen? Die erneut gedemütigten Liberalen bringen weiter Unruhe in die schwarz-gelbe Koalition. Die Opposition reibt sich die Hände.
Nach dem Desaster der Saar-Liberalen kämpfen Union und FDP mit einem klaren Abgrenzungskurs um die Wähler in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Die ums politische Überleben ringende FDP werde ihre Ergebnisse „selber hart erarbeiten und erkämpfen“, sagte Parteichef Philipp Rösler am Montag in Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte betont gelassen auf die Ankündigungen: „Wir haben viel vor uns und werden unsere Arbeit in der christlich-liberalen Koalition gut weitererfüllen.“ Am Ende sei es aber für die CDU am Wichtigsten, stärkste Kraft zu werden.
SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigte sich zufrieden mit dem Ausgang der Saar-Wahl und sprach von einem guten Zeichen für die beiden weiteren Wahlen im Mai. Nun wollen die Sozialdemokraten Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit mit den auf Anhieb in den Landtag eingezogenen Piraten ausloten. Die Piratenpartei habe „eine gute Wirkung auf Nichtwähler“, sagte Gabriel.
Die Piratenpartei sieht sich auch in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auf Erfolgskurs. Für die dortigen Wahlen sei das gute Abschneiden an der Saar (7,4 Prozent) „ein positives Signal“, sagte Bundeschef Sebastian Nerz. „Auch in diesen Bundesländern stehen die Piraten mit starken politischen Themen für den Bürger ein.“ In Schleswig-Holstein sahen Wahlforscher die Piraten zuletzt bei 5 Prozent, in Nordrhein-Westfalen bei 6 Prozent. In diesen Ländern wird am 6. beziehungsweise 13. Mai gewählt.
Im Saarland wollen CDU und SPD schnell eine Regierung bilden. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sicherte ihrem künftigen Koalitionspartner, SPD-Landeschef Heiko Maas, eine Koalition „auf Augenhöhe“ zu. Die SPD will hart verhandeln, um möglichst viele Positionen durchzusetzen. Dabei werde seine Partei die Gespräche aus einer „machtvollen Position“ heraus führen, sagte Maas. „Wir sind die, ohne die es nicht geht.“
Landesvorstand und Landtagsfraktion der Sozialdemokraten beauftragten Maas am Montagabend einstimmig, Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufzunehmen. Er wolle nun mit Kramp-Karrenbauer einen Fahrplan vereinbaren, sagte Maas nach dem Treffen. Kramp-Karrenbauer beriet am Abend mit den Spitzen ihrer Partei über das weitere Vorgehen.
Die CDU kam am Sonntag auf 35,2 Prozent, die bisher oppositionelle SPD auf 30,6 Prozent. Die Linke wurde mit 16,1 Prozent drittstärkste Kraft. Die Piraten errangen 7,4 und die Grünen 5,0 Prozent. Die FDP erzielte mit 1,2 Prozent ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Landtagswahl in Westdeutschland. Die CDU erhält 19 Sitze im Landtag, die SPD ist künftig mit 17 Abgeordneten vertreten, die Linke mit 9. Die Piraten stellen 4 und die Grünen 2 Abgeordnete.
Die Freidemokraten flogen innerhalb eines Jahres zum sechsten Mal aus einem Landtag. Nachdem Generalsekretär Patrick Döring am Morgen mehr Abgrenzung von der CDU angekündigt hatte, betonte Rösler, in der Koalition mit der Union im Bund solle Ruhe bewahrt werden. Die FDP müsse ihre Politik sachorientiert durchsetzen, „nicht hektisch oder gar panisch“ werden.
Merkel sagte mit Blick auf die FDP: „Ich gehe von einer vernünftigen, guten Zusammenarbeit im Dienste der Sache und den notwendigen Entscheidungen in Deutschland aus.“ Auf eine Debatte über schwindende Koalitionsoptionen wollte sie sich nicht einlassen: „Ich führe heute keine Koalitionsdiskussion zur nächsten Bundestagswahl.“ Umfragewerte könnten sich innerhalb weniger Monate sehr verändern. Für die CDU sei es aber am Wichtigsten, stärkste Kraft zu werden. „Dann ergeben sich die Optionen von alleine.“
In der Linkspartei wurde der Ruf nach einem Comeback ihres früheren Chefs Oskar Lafontaine auf Bundesebene wieder lauter. Der nordrhein-westfälische Links-Fraktionschef Wolfgang Zimmermann sagte dem „Tagesspiegel“ (Montag): „Wieder einmal hat sich gezeigt, dass Lafontaine eine Größe ist, mit der man in der Bundespolitik rechnen muss.“ Lafontaine selbst hielt sich bedeckt zu seinen Zukunftsplänen. Parteichef Klaus Ernst sagte: „Wir machen jetzt Wahlkampf, und Personalfragen diskutieren wir hinterher.“
Die Grünen erteilten nach dem knappen Wiedereinzug in den Landtag Jamaika-Bündnissen mit CDU und FDP wie an der Saar vorerst eine Absage. „Jamaika ist etwas, das wird man sicherlich bei uns so schnell nicht wiederfinden“, sagte Parteichef Cem Özdemir. An die Piraten gewandt sagte er: „Jetzt muss die Partei inhaltlich beweisen, wofür sie steht, außer dass sie den Moment auf ihrer Seite hat.“