Mindestlohnkommission Feilschen um den neuen Mindestlohn
Lohnuntergrenze könnte auf 8,85 Euro steigen - Expertenkommission entscheidet.
Berlin. Die aktuellen Tarifabschlüsse können sich sehen lassen. Doch was heißt das für den künftigen Mindestlohn? Demnächst kommt die Mindestlohnkommission zusammen, um darüber zu beraten. Realistisch ist ein Anstieg der Lohnuntergrenze um etwa 35 Cent auf 8,85 Euro.
Bis Ende Juni entscheidet sich, wie es beim seit Anfang 2015 geltenden Mindestlohn von 8,50 Euro weitergeht. So steht es im Gesetz. Dazu wurde eigens eine Expertenkommission eingerichtet, die sich aus Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften sowie unabhängigen Wissenschaftlern zusammensetzt. Erstmals soll eine Anpassung zum 1. Januar 2017 erfolgen.
Spekulationen darüber gibt es schon lange. So hält etwa das gewerkschaftsnahe Forschungsinstitut WSI eine Anhebung auf neun Euro für realistisch. Verdi-Chef Frank Bsirske hatte im vergangenen September gar schon zehn Euro geltend gemacht. Doch das ist illusorisch.
Maßgeblich für die künftige Höhe des Mindestlohns sind die Tarifabschlüsse seit Dezember 2014 bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Mindestlohnkommission, die spätestens zum 30. Juni erfolgen muss. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden errechnet dazu einen so genannten Tarifindex. Aktuell gehen die Statistiker von 3,2 Prozent aus. Das heißt übersetzt: Seit Anfang 2015 sind die Tarifeinkommen um 3,2 Prozent gestiegen.
Und entsprechend müsste der Mindestlohn zum 1. Januar 2017 um 27 Cent angehoben werden. Der Tarifindex bildet allerdings nur jene Tarifabschlüsse ab, die sich bereits in der Lohntüte niederschlagen. So wird sich zum Beispiel die kürzlich für die Metall- und Elektroindustrie ausgehandelte Lohnsteigerung um insgesamt 4,8 Prozent nicht bis Ende Juni im Index bemerkbar machen. Denn die erste Stufe der Erhöhung ist erst ab Juli vereinbart. Zwar ist für die Metaller auch eine Einmalzahlung von 150 Euro für die Monate April bis Juni vorgesehen. Doch solche Vereinbarungen fließen generell nicht in die für die Kommission maßgebliche Berechnung ein.
Ein Grenzfall ist indes der jüngste Abschluss für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Hier soll es in einer ersten Stufe 2,4 Prozent mehr geben, und zwar rückwirkend ab 1. März. Würde dieser Zuwachs wie üblich auch auf die Beamten übertragen, dann ergäbe das einen Tarifindex von 3,9 Prozent.
Der Mindestlohn würde dann um insgesamt 33 Cent auf 8,83 Euro steigen. Und unter Berücksichtigung der kürzlich für die Bauwirtschaft vereinbarten Tarifsteigerungen könnten es am Ende 8,85 Euro werden. Nach Auskunft des Statischen Bundesamtes wird das Lohnplus für die öffentlich Bediensteten allerdings frühestens mit dem Juli-Gehalt ausgezahlt. Streng genommen ist das ebenfalls zu spät, um noch Berücksichtigung zu finden.
Spätestens hier dürfte das Gefeilsche in der Mindestlohnkommission einsetzen. Zumal sich die künftige Lohnuntergrenze nicht nur am Tarifindex orientieren soll, sondern auch an weiteren Aspekten wie etwa der Arbeitsmarktlage bis hin zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die Gewerkschaften jedenfalls geben sich kampfbereit: "Auch die Tarifabschlüsse der jüngsten Zeit werden in die Empfehlung der Mindestlohnkommission einfließen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Freitag unserer Zeitung. Schließlich sei es "erklärter politischer Wille, die vier Millionen Menschen, die seit Anfang 2015 in den Genuss des Mindestlohns kommen, an der positiven Entwicklung der Tariflöhne teilhaben zu lassen".