Flüchtlinge: Amnesty wirft Weltgemeinschaft Versagen vor
Beirut/Berlin (dpa) - Kriege und Gewalt haben nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International die „schlimmste Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“ ausgelöst.
In einem am Montag in der libanesischen Hauptstadt Beirut vorgestellten Bericht warf Amnesty der Weltgemeinschaft dabei schwere Versäumnisse vor. Amnesty-Generalsekretär Salil Shetty sagte: „Die Flüchtlingskrise ist eine der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, aber die internationale Gemeinschaft hat bislang kläglich versagt.“
Die deutsche Wirtschaft forderte vor einem Spitzentreffen von Bund und Ländern zur Flüchtlingspolitik, den Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. „Viele Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Vertreibung zu uns kommen, werden längerfristig oder sogar für immer bleiben“, sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer der Deutschen Presse-Agentur.
Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist ein zentrales Thema einer Konferenz der Länder-Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag (18. Juni) in Berlin. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sprach sich für deutlich mehr Rechte für Flüchtlinge aus. „Im Anschluss an eine erfolgreiche Ausbildung soll dann jeder dauerhaft in Deutschland bleiben können“, sagte Nahles der Deutschen Presse-Agentur.
Die CSU fordert eine „grundlegende Reduzierung“ der Asylbewerberzahlen. Beim Flüchtlingsgipfel dürfe es nicht nur um Finanzfragen und eine fairere Verteilung der Flüchtlinge gehen, sagte Generalsekretär Andreas Scheuer. „Wir brauchen Antworten, wie wir den Flüchtlingsstrom grundlegend reduzieren können.“ Zwischen echten Kriegsflüchtlingen, denen die CSU helfen wolle, und „bloßen Wirtschaftsflüchtlingen“ müsse streng unterschieden werden.
Unterdessen führt die stark gestiegene Zahl von Migranten auch in der EU zu neuem Streit. Frankreich verteidigte die Zurückweisung von Flüchtlingen an der französisch-italienischen Grenze. „Italien muss sich um sie kümmern, das ist das europäische Recht“, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve. Er verwies auf die sogenannten Dublin-II-Regeln, wonach Asylanträge in dem Land bearbeitet werden müssen, über das ein Flüchtling in die EU eingereist ist.
Die österreichischen Behörden bearbeiten vorerst keine neuen Asylanträge mehr. Wegen der hohen Anzahl Asylanträge sei eine Schwerpunktsetzung nötig, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Flüchtlinge würden aufgenommen und versorgt, erläuterte ein Ministeriumssprecher. Aber eine inhaltliche Prüfung gebe es zunächst nicht.
Dem Amnesty-Bericht zufolge sind derzeit rund eine Million Flüchtlinge dringend auf eine Aufnahme in sicheren Ländern angewiesen. Vier Millionen Syrer versuchten unter schwierigsten Umständen großteils in Nachbarstaaten zu überleben. Aus Afrika südlich der Sahara seien mehr als drei Millionen Menschen auf der Flucht. Viele von diesen machen sich auf den Weg Richtung Europa.