Münchner Sicherheitskonferenz Flüchtlingskrise: Zahlen senken, Migration steuern

Die Außenminister der Niederlande, der Türkei und Italiens gehen davon aus, dass Flüchtlinge das Ziel ihrer Flucht nicht mehr selbst bestimmen. Für Kanzleramtsminister Peter Altmeier ist die Türkei ein „sicheres Herkunftsland“.

Der Direktor der Internationalen Organisation für Migration William Lacy Swing (v.l.n.r), Italiens Außenminister Paolo Gentiloni, der niederländische Außenminister Bert Koenders, der türkische Außenminster Mevlüt Çavuşoğlu, Kanzleramtschef Peter Altmaier und die Moderatorin Christiane Amanpour diskutierten vor allem über pragmatische Lösungen.

Foto: Sven Hoppe

München. Während sich etliche der 28 EU-Staaten weiter einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik verweigern, hält Paolo Gentiloni nationale Alleingänge aus innenpolitsicher Furcht mittlerweile für eine echte Gefahr für Europa. „Wir sollten uns keine Illusionen über eine schnelle Lösung machen. Aber können versuchen, die Zahlen zu reduzieren und die Krise zu handhaben“, so der italienische Außenminister am Abend des ersten Tages auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Gentiloni diskutierte mit seinen Amtskollegen Bert Koenders (Niederlande), Mevlüt Çavuşoğlu (Türkei) sowie Kanzleramtsminister Peter Altmeier unter dem Titel „Zuflucht verweigert? Die EU und die Flüchtlingskrise“ vor allem über pragmatische Lösungen — auf die sich Europa bislang nur schwer einigen kann. Für Altmeier steht ganz im Sinne der Kanzlerin weiter fest: „Wir können einen kollateralen Nutzen statt eines Schadens haben.“ Dazu müssten den Flüchtlingen dort, wo man sie unterbringe, Zugänge zu „Bildung und Supermärkten“ ermöglicht werden, wenn man verhindern wolle, dass sie weiter wandern.

Womit Altmeier meint: Sie sollen vor allem in der Türkei bleiben. An den Waffenstillstand in Syrien glaube er erst, wenn er ihn sehe. Aber die Türkei sei humanitären Werten mehr verpflichtet als viele andere Länder. Das könne er zwar nicht für die Regierung sagen, so Altmeier, aber für ihn stehe fest: „Die Türkei ist ein sicheres Herkunftsland.“ Der niederländische Außenminister formulierte es etwas weicher, stimmte Altmeier im Kern ab zu: „Im Hinblick auf die Menschenrechte ist die Situation der Bootsflüchtlinge am schlimmsten, wir müssen den Schleusern das Handwerk legen. Es ist nicht automatisch ein Verstoß gegen Menschenrechte, jemanden in die Türkei zurückschicken“, so Koenders, der auch Präsident des Ministerrats der EU ist.

Einig waren sich die Minister, dass vor allem die Zahlen gesengt und die illegale Einwanderung beendet werden müsse. Dies sei die Voraussetzung, um zu einer „gesteuerten Migration“ zu kommen. Soll heißen: Die Flüchtlinge, die künftig aufgenommen werden, entscheiden nicht mehr selbst, in welches Land sie gebracht werden. Gentiloni: „Die Dublin-Regeln funktionieren nicht mehr, wir müssen sie anpassen. Wir müssen uns die Zeit nehmen, stärkere Kontrollen einzuführen.“

Mevlüt Çavuşoğlu betonte, die Türkei wolle die Tür nicht komplett schließen, obwohl man die aktuellen vor russischen Bomben fliehenden Syrer auf der syrischen Seite der Grenze unterbringe. Er gehe davon aus, dass die Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei von derzeit 2,5 auf rund drei Millionen Menschen steigen werde. Wichtig sei, die Migrationsbewegungen zu steuern: „Wenn wir das Blutvergießen nicht stoppen können, werden sich weitere auf den Weg machen.“

Fortgesetzt wird die Münchner Sicherheitskonferenz am Freitagabend mit einem Empfang des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter, bevor sich um 22.15 Uhr ein letztes Podium zur Sicherheit des europäischen Gesundheitssystems anschließt. Wichtigster Tag der dreitägigen Konferenz ist der Samstag (13. Februar), der um 9 Uhr mit einem Statement von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier beginnt. Bereits um 9.30 Uhr sprechen die Premierminister von Frankreich und Russland, Manuel Valls und Dimitry Medvedev. US-Außenminister John Kerry wird um 11.45 erwartet, am Abend steht ein Staatsbankett des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer auf dem Konferenzplan.