Forscher widersprechen der Bundesregierung
Das Institut der Arbeitsagenturen hält Teile des Armutsberichts für falsch.
Berlin. Der aktuelle Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung geht nach Einschätzung des wissenschaftlichen Instituts IAB der Bundesagentur für Arbeit zum Teil erheblich an der gesellschaftlichen Realität in Deutschland vorbei.
Allein bei den Vollzeitbeschäftigten seien die Löhne des unteren Verdienst-Zehntels zwischen 2005 und 2010 um sechs Prozent gesunken, während sie beim oberen Zehntel um rund ein Prozent zugenommen hätten, heißt es in einer unserer Zeitung vorliegenden Stellungnahme des IAB zu einer Expertenanhörung, die am Montag im Bundestag stattfindet.
Der Abstand zwischen den oberen und unteren Entgeltgruppen sei gewachsen. Dagegen deute der Regierungsbericht auf eine „Verringerung der Ungleichheit“ hin, kritisiert das IAB.
Die Arbeitsmarktforscher der Bundesagentur halten es auch für problematisch, dass der Regierungsbericht die positive Entwicklung der Erwerbsbeteiligung bei den 55- bis 65-Jährigen herausstellt, zugleich aber verschweigt, dass die finanzielle Hilfebedürftigkeit für Personen im Alter zwischen 60 und 65 „um cirka 65 Prozent“ gestiegen sei. „Zum anderen wird auch der Bezug von Arbeitslosengeld I im Bericht nicht thematisiert, obwohl bei 90 000 Arbeitslosengeld-I-Empfängern die Versicherungsleistungen nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt des Haushalts zu decken und die daher ergänzend Arbeitslosengeld II bezogen haben“, heißt es in der Stellungnahme des IAB.
Der Armuts- und Reichtumsbericht war von der Bundesregierung nach langer interner Kontroverse im März verabschiedet worden. Die FDP hatte auf die Abschwächung einzelner Passagen gedrängt, was ihr den Vorwurf der Schönfärberei eintrug.