Friedrich fürchtet Gewaltspirale von Links wie Rechts

Berlin (dpa) - Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich warnt vor einer steigenden Gewaltbereitschaft von Links- und Rechtsextremisten. „Wir haben die Gefahr einer Gewaltspirale“, sagte der CSU-Politiker heute bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts 2010.

In den ersten fünf Monaten 2011 sei die Zahl der Straftaten von Linksextremisten wieder deutlich gestiegen. Auch Neonazis gehe es nicht mehr primär um fremdenfeindliche Angriffe, sondern um die Auseinandersetzung mit dem vermeintlichen Gegner von links. Dagegen hatte es im Gesamtjahr 2010 im Vergleich zu 2009 sowohl beim Links- als auch beim Rechtsextremismus rückläufige Zahlen gegeben.

Nach den Worten Friedrichs bleibt auch der Islamismus eine erhebliche Bedrohung in Deutschland - trotz des Todes von Al-Kaida- Chef Osama bin Laden. Besonders aufmerksam verfolgt der Verfassungsschutz bundesweit die Aktivitäten der Salafisten, die vor allem im Internet Mitglieder und Anhänger rekrutierten.

Auch der Frankfurter Attentäter von Anfang März hatte im Internet Kontakte zu Salafisten. Der junge Mann schoss auf US-Soldaten und verletzte zwei davon tödlich. Bundesweit nahm die Zahl der Islamisten nach Einschätzung des Verfassungsschutzes um 1200 auf 37 470 zu.

Der Verfassungsschutz beobachtet nach wie vor extremistische Strömungen in der Linkspartei. Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm sagte, man verfolge auch die Debatte zum Thema Antisemitismus. Die Linke wird seit Wochen mit Antisemitismus-Vorwürfen konfrontiert.

Wenn es Stimmen in der Partei gebe, die das Existenzrecht des Staates Israel infrage stellten, könne dies gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstoßen und somit verfassungsschutzrelevant sein, sagte Fromm. Die Frage sei aber, ob dies der Gesamtpartei zuzurechnen sei. Der Präsident verwies darauf, dass die Partei bemüht sei, antisemitischen Bestrebungen entgegen zu wirken.

Beim Linksextremismus steht Deutschland nach Einschätzung des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) an der Schwelle zum Linksterrorismus. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ sagte er, autonome Linksextremisten nähmen in Kauf, dass bei ihren Anschlägen Menschen ums Leben kämen. „Sie zünden Autos an oder greifen Polizisten gezielt an.“ Die Geschichte der RAF zeige, dass „der Weg vom Brandanschlag zu gezielten Mordanschlägen nicht weit ist“.

Auf die Frage, ob er diese Einschätzung Schünemanns teile, sagte Friedrich: „Ich denke, wenn der Trend so anhält, muss man da wohl die Besorgnis haben, dass er Recht hat.“ Im Jahr 2010 gab es aber noch einen Rückgang der Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund - und zwar um 987 auf 3747. Die Ermittler schätzen, dass es in Deutschland rund 32 200 Menschen gibt, die dem Linksextremismus zuzuordnen sind. Im Vergleich zu 2009 ist das ein Plus von 600. Die Zahl der von Rechtsextremisten verübten Straftaten sank um 2845 auf nunmehr 15 905.

In der rechtsextremen Szene hat nach Angaben Friedrichs die angekündigte Fusion mit der DVU bislang nicht zu einer Stärkung der NPD geführt. Beide Parteien hätten Mitglieder verloren. Als besorgniserregend bezeichnete der Minister aber den zahlenmäßigen Anstieg der Neonazis um 600 auf 5600. Dort gebe es eine relativ neue Erscheinungsform - die Autonomen Nationalisten. Sie ähnelten in ihrem Erscheinungsbild und ihrem Vorgehen der linksautonomen Szene.

Es gebe immer mehr gewaltbereite Rechtsextremisten, sagte Friedrich. „Aber Straftaten, bei denen Gewalt ausgeübt wird, gibt es mehrheitlich bei den Linksextremisten.“ Nach den Worten von Verfassungsschutz-Chef Fromm greifen Autonome Nationalisten zunehmend Polizisten an - auch dies sei ein neues Phänomen.

Wie Fromm ausführte, ist der Rechtsextremismus vor allem in den neuen Bundesländern stark vertreten. Bezieht man die Zahl der Gewalttaten auf die Einwohnerzahlen, führen sie die Statistik an. Dies sei aber kein neues Phänomen.

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, warf der Bundesregierung vor, im neuen Bundeshaushalt beim Kampf gegen Rechtsextremismus sparen zu wollen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, sagte: „Auch die Linkspartei muss weiter beobachtet werden.“ Die Linke kämpfe vergeblich gegen „erhebliche innerparteiliche Verwerfungen“ - dies zeige die Antisemitismus- Debatte. Dagegen forderte die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, die Beobachtung einzustellen.