Friedrich hält NPD-Verbotsverfahren für Wagnis
Berlin (dpa) - Die Bundesländer werden in dieser Woche voraussichtlich einen neuen NPD-Verbotsantrag beschließen. Der Ausgang gilt jedoch als völlig ungewiss.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bekräftigte am Sonntag seine Skepsis und kündigte an, den Ministerpräsidenten und dem Bundeskabinett nochmals die Risiken zu verdeutlichen. Dies sei die Pflicht der Innenminister, „und ich werde das auch machen“, sagte Friedrich „Spiegel online“.
Damit droht auf der Innenministerkonferenz an diesem Mittwoch ein Konflikt. Anders als Friedrich halten inzwischen fast alle Länder eine Neuauflage des Verbotsverfahrens gegen die NPD für geboten. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier (CDU), rechnet mit breiter Zustimmung für den Vorstoß. Am Donnerstag wollen die Ministerpräsidenten darüber entscheiden.
Caffier - Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern - rechnet bei dem Treffen im Ostseebad Warnemünde allerdings noch mit intensiven Gesprächen. „Ich gehe davon aus, dass wir bis zur letzten Minute diskutieren“, sagte er in Schwerin. Dabei sei Bewegung zu erkennen. Als Skeptiker unter den Ländern gelten noch Hessen und das Saarland. Niedersachsen hatte am Freitag eingelenkt.
Neben Friedrich sieht auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein Verbotsverfahren skeptisch. Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck mahnte am Sonntag: „Das Stellen eines NPD-Verbotsantrages ist weder eine innenpolitische Mutprobe noch ein antifaschistischer Lackmustest. Es ist eine juristische Frage, die mit kühlem Kopf entschieden werden sollte.“
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bislang erklärt, sie wolle zunächst die Auswertung belastender Daten abwarten. Die dazu eingesetzte Bund-Länder-Arbeitsgruppe listet in ihrem Abschlussbericht laut „Spiegel“ Hetzreden, Aufrufe und Artikel von mehr als 400 NPD-Mitgliedern auf.
Die NPD habe eine „antisemitische, rassistische und ausländerfeindliche Einstellung“ und sei mit dem Nationalsozialismus „wesensverwandt“, heißt es dem Magazin zufolge in der abgestimmten Einschätzung von Friedrich und Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU).
Die Aussagekraft der dafür gefundenen Belege wird allerdings unterschiedlich eingeschätzt. „Der Ausgang des Verfahrens (muss) nach übereinstimmender Ansicht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe als offen betrachtet werden“, zitiert der NDR aus dem Bericht.
Für ein neues Verbotsverfahren hat die Arbeitsgruppe 2649 Belege zusammengetragen, die die Verfassungswidrigkeit der rechtsextremen NPD belegen sollen. 2003 war ein erster Anlauf in Karlsruhe gescheitert, weil V-Leute des Verfassungsschutzes bis in die Führungsebene der Partei tätig waren.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) wies in Düsseldorf darauf hin, dass die Verfassungsschutzbehörden bereits vor Monaten ihre V-Leute in den Führungsgremien der NPD abgeschaltet hätten, um die Anforderungen für ein Verbot zu erfüllen.
Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, hält deshalb einen Erfolg des NPD-Verbotsverfahrens für möglich. 2003 habe man nicht unterscheiden konnte, ob das vorgelegte Material von der NPD oder von V-Leuten gestammt habe, sagte er der „F.A.S.“. „Dieses Problem existiert offenbar nicht mehr.“ Hassemer hatte sich damals für eine Einstellung des Verfahrens ausgesprochen.
Caffier geht von einem offiziellen Verbotsantrag des Bundesrates im ersten Halbjahr 2013 aus. Offen ist noch, ob sich Bundestag und Bundesregierung erneut anschließen werden.
Bei der Innenministerkonferenz zeichnet sich auch eine Einigung zwischen Bund und Ländern über die Reform des Verfassungsschutzes ab. Friedrich begrüßte die Zustimmung der Länder zu der zentralen V-Leute-Datei. Nach einem „Focus“-Bericht haben sich die Länder-Innenminister bereits im Vorfeld ihres Rostocker Treffens über Details verständigt. Die Datei soll beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Köln geführt werden.