Gabriel hält an Kohlekraftwerken fest

Berlin (dpa) - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will keine Kohlekraftwerke zwangsweise vom Netz nehmen, um das gefährdete deutsche Klimaziel noch zu schaffen.

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Die Frage, welche Kraftwerke am Netz bleiben und welche stillgelegt werden, „sollten die Unternehmen entscheiden und nicht der Staat“, betonte er in einem Positionspapier. Wer neben dem schrittweisen Atomausstieg bis 2022 auch noch aus der Kohleverstromung aussteigen wolle, sorge für explodierende Stromkosten, die Abwanderung großer Teile der Industrie und Versorgungsunsicherheit in Deutschland.

Geplant war bisher, den Kohlendioxid-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Nach jetzigem Stand läuft es nur auf rund 33 Prozent weniger Emissionen bis 2020 hinaus. Zuletzt sind die Ausstöße sogar gestiegen, obwohl der Anteil erneuerbarer Energien zugenommen hat. Derzeit liegt er bereits bei 27 Prozent, aber Braun- und Steinkohle kommen auf knapp 45 Prozent, um nach dem Abschalten von acht Atomkraftwerken 2011 Versorgungssicherheit zu garantieren.

SPD-Chef Gabriel stellt sich damit gegen seine Parteifreundin, Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Sie will alte Kohlemeiler einmotten, um das deutsche Ziel noch zu schaffen. Am 3. Dezember soll das Kabinett ein von Hendricks erarbeitetes Klima-Aktionsprogramm beschließen, um die Lücke noch zu schließen. Außer durch neue Anreize für energetische Gebäudesanierungen kann das Ziel nach Meinung von Experten nur mit weniger Emissionen im Energiesektor noch geschafft werden. Das 40-Prozent-Ziel war 2007 von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem damaligen Umweltminister Gabriel vereinbart worden.

Gabriel sieht dennoch keinen Konflikt mit Hendricks: Sie habe Recht, dass wegen enormer Überkapazitäten in Europa auch Kohlekraftwerke Schritt für Schritt vom Netz gehen würden. Aber das sei Sache der Unternehmen. Durch die Stilllegung deutscher Kohlekraftwerke würde in Europa nicht eine Tonne Kohlendioxid für den Klimaschutz eingespart, weil die dafür benötigten Zertifikate zu einem anderen Kraftwerk wanderten. Deshalb müssten noch mehr Verschmutzungsrechte aus dem Markt genommen werden, um den europäischen Emissionshandel zu retten.

Die Gewerkschaft IG BCE hatte zuvor vor Jobverlusten in Kohlemeilern gewarnt. Deren Chef Michael Vassiliadis lobt Gabriels Positionierung.

Eigentlich sollten kohlendioxidärmere Gaskraftwerke eine stärkere Rolle bei der Energieversorgung spielen, aber der Brennstoff ist teurer. Kohlekraftwerke profitieren derzeit auch vom Preisverfall im EU-weiten Handel mit Verschmutzungsrechten. Grüne und Linke pochen auf ein schrittweises Einmotten alter Braunkohlekraftwerke.

„Die Klimaziele sind ihm offensichtlich schnuppe“, kritisierte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter Gabriels Kurs. „Und alles was dazugehört, wenn man unnötig lange an Kohle festhält: Abgebaggerte Dörfer, Feinstaub und Quecksilber in der Luft, Schwefel und Eisen im Wasser.“ Die Klimaexpertin der Linken, Eva Bulling-Schröter, warf Gabriel einen „unverblümten Angriff auf die Energiewende“ vor. Er stelle sich vor die Kohleindustrie und die großen Energiekonzerne.

Auch Umweltschutzverbände reagierten mit harscher Kritik. „Mehr Klimaschutz geht nur mit weniger Kohlestrom, das weiß Frau Merkel. Spätestens jetzt muss sie es auch sagen“, forderte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. „Die Kanzlerin darf Umweltministerin Hendricks nicht im Regen stehen lassen und wegsehen, wenn Gabriel die Klimaschutzziele unseres Landes infrage stellt“, meinte Weiger.

Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand der Umweltstiftung WWF, sagte: „Es geht nicht um einen Sofortausstieg aus der Kohle, sondern um einen geordneten Übergang.“ Es sei dabei wichtig, die schlimmsten Dreckschleudern, nämlich Braunkohlekraftwerke, zuerst abzuschalten.